ExklusivZinskompass

EZB steht womöglich vor Paradigmenwechsel

Die EZB dürfte sich an diesem Donnerstag die Hintertür für eine weitere Zinssenkung offen halten. Doch es verdichten sich die Anzeichen, dass die nächste Änderung womöglich eine Erhöhung und keine Senkung ist. Auch der Deka-EZB-Zinskompass signalisiert keinen Bedarf für eine Lockerung der Geldpolitik.

EZB steht womöglich vor Paradigmenwechsel

Die EZB steht womöglich vor Paradigmenwechsel

Nächste Zinsänderung könnte eine Erhöhung sein – Verlängerung der Zinspause am Donnerstag quasi in Stein gemeißelt

Die EZB dürfte sich an diesem Donnerstag die Hintertür für eine weitere Zinssenkung offen halten. Doch es verdichten sich die Anzeichen, dass die nächste Änderung womöglich eine Erhöhung und keine Senkung ist. Auch der Deka-EZB-Zinskompass signalisiert keinen Bedarf für eine Lockerung der Geldpolitik.

mpi Frankfurt

Kurz vor Weihnachten wird die EZB den Anlegern erneut keine Zinssenkung bescheren. Beim Zinsentscheid der Zentralbank am Donnerstag in Frankfurt wird es viel mehr darum gehen, was die Notenbanker den Finanzmärkten für 2026 signalisieren. „Die Botschaft der bevorstehenden Ratssitzung könnte lauten, dass die EZB für die kommenden drei Jahre zwar von Inflationsraten eher unter als über 2% ausgeht, darin aber keinen hinreichenden Grund für eine Senkung der Leitzinsen sieht“, meint Kristian Tödtmann, Leiter Geldpolitik und Kapitalmärkte bei der DekaBank.

Die EZB wird am Donnerstag nicht nur ihren Zinsentscheid verkünden, sondern auch aktualisierte Projektionen zu Inflation und Wirtschaftswachstum vorlegen. Zum ersten Mal enthalten diese auch eine Schätzung für das Jahr 2028. Sollte die Notenbank für 2028 eine Inflationsrate von unter 2% unterstellen, könnte die EZB ihr Inflationsziel nach eigener Schätzung womöglich drei Jahre in Folge leicht unterschreiten. Für das kommende Jahr liegt die Projektion bislang bei 1,7% und für 2027 bei 1,9%.

Kerninflation zuletzt höher als erwartet

Tödtmann erwartet für 2026 eine Aufwärtsrevision der Kerninflation. Damit ist die Inflation ohne Berücksichtigung der schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise gemeint. Sie gilt Ökonomen gemeinhin als guter Indikator für den Inflationstrend. Tödtmann begründet seine Prognose mit zwei Argumenten. Zum einen sei die Kerninflation in den vergangenen Monaten leicht höher gewesen als von der EZB prognostiziert.

Zum anderen geht die Notenbank von einer deutlichen Abschwächung beim Lohnwachstum aus. Dies würde die hartnäckige Dienstleistungsinflation senken und damit auch die Gesamtrate. Tödtmann meldet jedoch Zweifel an, ob das Lohnwachstum im vorhergesagten Ausmaß nachlässt. „Ein weiterhin robuster Arbeitsmarkt ist ein Kernelement des wirtschaftlichen Ausblicks der EZB“, sagt er. „Diese Erwartung ist jedoch schwer damit in Einklang zu bringen, dass sich das Lohnwachstum bis Mitte nächsten Jahres auf nur noch 2,5% verlangsamen soll.“

Neue Projektionen

Für 2027 wiederum rechnet Tödtmann mit einer niedrigeren Inflationsprognose. Die Verschiebung und Abmilderung des Emissionshandels ETS2 werde wohl zu einem geringeren Anstieg der Energiepreise führen. Die Inflationssäule des Deka-EZB-Zinskompasses befindet sich derweil mit 21,1 Punkten auf einem erhöhten Niveau. Auch der Gesamtwert liegt mit 12,1 im positiven Bereich und signalisiert keinen Bedarf für eine baldige Lockerung der Geldpolitik. Der Zinskompass erscheint vor jeder Zinssitzung der EZB exklusiv in der Börsen-Zeitung.

Zuletzt hatten auch etliche EZB-Räte signalisiert, dass geringfügige Unterschreitungen des Inflationsziels für sie per se kein Grund für eine weitere Lockerung der Geldpolitik sind. So hat etwa der kroatische Notenbankpräsident Boris Vujčić im Interview der Börsen-Zeitung vor Mikromanagement bei der Inflationssteuerung gewarnt.

Schnabel beeinflusst Zinsausblick

Für Schlagzeilen sorgte EZB-Direktorin Isabel Schnabel wiederum nicht nur damit, dass sie Interesse daran hat, die nächste Präsidentin der EZB zu werden. Sie stellte zudem in den Raum, dass der nächste Zinsschritt der EZB nach einer längeren Zinspause eine Zinserhöhung sein könnte. Schnabel verwies auf die vergleichsweise hohe Kerninflation. Zudem erwartet sie eine wirtschaftliche Erholung im Euroraum, nicht zuletzt durch eine expansivere Fiskalpolitik. Dies erhöhe den Spielraum von Unternehmen für Preiserhöhungen.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte ebenfalls signalisiert, dass die Wachstumsaussichten der Eurozone besser sein könnten, als es die Notenbank noch im September angenommen hat. „In den letzten Prognosen haben wir unsere Vorhersagen nach oben korrigiert“, sagte Lagarde. „Ich vermute, dass wir das im Dezember erneut tun werden.“

Anleger passten ihre Zinserwartungen nach den Äußerungen von Schnabel und Lagarde an. Immer mehr Investoren rechnen nun damit, dass die EZB irgendwann im Laufe des kommenden Jahres die Zinsen leicht anheben könnte. Einen Sinneswandel hat es auch bei Ökonomen gegeben. Bei einer am Freitag veröffentlichten Umfrage von Bloomberg gaben 60% an, dass sie damit rechnen, dass der nächste Zinsschritt der EZB eine Zinserhöhung und keine Zinssenkung ist. Bei der vorherigen Befragung im Oktober hatte dies nur jeder dritte Volkswirt angegeben. Die Zinserhöhung könnte nach Einschätzung der Ökonomen jedoch auch erst 2027 stattfinden.

Kontroverse Debatten

Die Ansicht Schnabels ist jedoch nicht deckungsgleich mit der Einschätzung aller EZB-Ratsmitglieder. „Es dürfte im EZB-Rat zu kontroversen Diskussionen über den mittelfristigen Ausblick kommen, denn nicht alle Mitglieder werden so optimistisch sein wie Schnabel“, sagt Tödtmann bezogen auf den konjunkturellen Ausblick. Dementsprechend sehen es auch längst nicht alle Notenbanker so, dass die nächste Anpassung vermutlich eine Zinserhöhung ist.

„Die Abwärtsrisiken für die Inflationsaussichten sind nach wie vor mindestens ebenso bedeutend wie die Aufwärtsrisiken“, sagte etwa Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau vergangene Woche. Dementsprechend sollte sich die EZB alle Optionen offen halten, auch eine weitere Zinssenkung im kommenden Jahr.