Geldpolitik

EZB steuert auf heikle Juni-Sitzung zu

Der Europäischen Zentralbank (EZB) stehen kontroverse Diskussionen über die Zukunft der Krisenanleihekäufe bevor. Bei ihren Beratungen im Juni werden die Währungshüter aufs Neue „eine umfassende Bewertung der Finanzierungsbedingungen vor dem...

EZB steuert auf heikle Juni-Sitzung zu

rec Frankfurt

Der Europäischen Zentralbank (EZB) stehen kontroverse Diskussionen über die Zukunft der Krisenanleihekäufe bevor. Bei ihren Beratungen im Juni werden die Währungshüter aufs Neue „eine umfassende Bewertung der Finanzierungsbedingungen vor dem Hintergrund des Inflationsausblicks“ vornehmen, um auf dieser Grundlage über das Tempo der Anleihekäufe zu entscheiden. So haben es die Notenbanker auf ihrer jüngsten Ratssitzung im April vereinbart, wie das am Freitag veröffentlichte Protokoll bestätigt.

EZB-Beobachter rechnen angesichts unterschiedlicher Auffassungen über die Aussichten für die Konjunktur in der Eurozone und ein allmähliches Auslaufen der beispiellosen Krisenhilfen mit einer hitzigen Debatte. Die Impfkampagnen schreiten inzwischen in hohem Tempo voran. Das lässt vor allem den stark vom Tourismus geprägten Süden auf einen kräftigen Aufschwung hoffen – was von zunehmenden Sorgen vor höherer Inflation begleitet wird.

Die sogenannten „Minutes“ bestätigen die Kommentare von EZB-Chefin Christine Lagarde im Anschluss an die Beratungen der Euro-Notenbanker vor drei Wochen, wonach die grundsätzliche Zukunft des Notfallanleihekaufprogramms PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) im April nicht zur Sprache kam. Etliche Notenbanker haben sich mit teils gegensätzlichen Wortmeldungen in der Tapering-Debatte über ein Zurückfahren der Anleihekäufe positioniert. Entsprechend knifflig dürfte die für den Herbst erwartete Entscheidung werden, ob das 1,85 Bill. Euro schwere PEPP vollständig ausgeschöpft wird oder ob der EZB-Rat es gar nochmals aufstockt und über März 2022 hinaus verlängert.

Im Rahmen des anstehenden Zinsentscheids in der zweiten Juniwoche, dem vorletzten vor der Sommerpause, müssen sich die Euro-Notenbanker zunächst damit beschäftigen, in welchem Umfang sie ihre Anleihekäufe über das Kriseninstrument PEPP im dritten Quartal fortsetzen. Denn die im März beschlossene Beschleunigung der Käufe gilt zunächst nur für die Monate April bis Juni. Im April hat das Eurosystem aus der EZB und den 19 nationalen Notenbanken via PEPP Papiere im Wert von ziemlich genau 80 Mrd. Euro erworben, was im Durchschnitt den Erwartungen an den Märkten entsprach. Die Käufe waren damit 30% umfangreicher als im Durchschnitt der ersten drei Monate des Jahres – ein Volumen, das zuletzt im Juli 2020 erreicht wurde.

Nach Ansicht von Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert verfügen „sowohl Gegner als auch Befürworter eines Ausstiegs über eine Reihe von Argumenten“. Schubert verweist auf einen eigens entwickelten Indikator für „günstige Finanzierungsbedingungen“. EZB-Chefin Christine Lagarde hat dies in der Coronakrise zum Gradmesser für die Geldpolitik erklärt. Marktteilnehmer und Beobachter rätseln nach wie vor, was genau die EZB damit meint.

Anhaltende Sorgen über höhere Staatsanleiherendite sprechen laut Schubert dafür, dass die EZB an umfangreichen Käufen festhält. Auch rechnet Schubert trotz jüngster Preissteigerungen nicht damit, dass die EZB ihre mehrjährigen Inflationsprognosen deutlich anhebt. Am 10. Juni veröffentlicht sie neue Daten. Andererseits haben auch Tauben im EZB-Rat, also Vertreter einer lockeren Geldpolitik wie Chefvolkswirt Philip Lane, zuletzt betont, dass die Euro-Wirtschaft einen Wendepunkt zum Positiven erreicht habe. Das Protokoll der EZB-Ratssitzung bestätigt, dass die Währungshüter die konjunkturelle Lage etwas positiver einschätzen. Ebenfalls für eine straffere Geldpolitik sprechen laut Schubert die nach wie vor niedrigen Renditeaufschläge für Staats- und Unternehmensanleihen und geringe Kreditzinsen. Risikoprämien und Zinsniveau lägen „häufig sogar tiefer als noch im Dezember, als die EZB die Grundsatzentscheidung getroffen hatte, für unverändert günstige Finanzierungsbedingungen zu sorgen“, schreibt Schubert.