GastkommentarBundesbankverluste

Goldene Brücke auf wackeligem Fundament

Der angedeutete zukünftige Umgang mit den Goldreserven der Bundesbank gefährdet das Imparitätsprinzip als bilanzrechtlichen Grundsatz.

Goldene Brücke auf wackeligem Fundament

Bundesbankverluste: Goldene Brücke auf wackeligem Fundament

Die Bundesbank hat ein Problem. Sie macht – wie andere Notenbanken auch – als Folge der außergewöhnlichen Geldpolitik (QE) hohe operative Verluste. Auslöser sind die EZB-Leitzinserhöhungen, welche bei einer zuvor selbst herbeigeführten Fristeninkongruenz ein Zinsänderungsrisiko real werden ließen. Wegen der seit 2015 von Geschäftsbanken erworbenen, langfristig niedrig verzinsten Wertpapiere – meist Staatsanleihen – müssen auf die im Gegenzug gutgeschriebenen Einlagen nun deutlich höhere kurzfristige Zinsen bezahlt werden.

Für das Jahr 2023 weist die Bundesbank insgesamt einen Verlust von ca. 21,6 Mrd. Euro aus, den sie durch die vollständige Auflösung ihrer Wagnisrückstellungen (19,2 Mrd. Euro) und einem weitgehenden Abbau ihrer Rücklagen (2,4 Mrd. Euro) ausgleichen kann.

Für 2024 rechnet die Bundesbank erneut mit einem erheblichen Fehlbetrag, der die verbliebenen Rücklagen von nur noch 661 Mill. Euro übersteigen dürfte. Eigene Berechnungen auf Grundlage einer Studie des Internationalen Währungsfonds ergeben für die Bundesbank mögliche kumulierte Verluste von rund 53 Mrd. Euro im Jahr 2025. Rechnet man das Grundkapital, die gesetzliche Rücklage und die allgemeine Wagnisrücklage dagegen, so könnte eine Eigenkapitallücke von rund 30 Mrd. Euro entstehen. Wie also damit umgehen?

Bewertungsreserven durch Goldbestände

Anlässlich der Vorstellung des Jahresabschlusses 2023 bezeichnete Bundesbankpräsident Joachim Nagel die Bilanz als solide. „Die Bundesbank (…) besitzt beträchtliche Vermögenswerte, die erheblich größer sind als ihre Verpflichtungen.“ Hierbei bezieht sich die Bundesbank auf eine neue Begrifflichkeit der EZB. Demnach setzt sich „das Nettoeigenkapital der EZB (…) aus ihrem Kapital, allen Beträgen, die in der Rückstellung für finanzielle Risiken und im allgemeinen Reservefonds gehalten werden, den Ausgleichsposten aus Neubewertung, etwaigen akkumulierten Verlusten aus den Vorjahren und einem etwaigen Jahresüberschuss/-fehlbetrag zusammen“.

Doch hinsichtlich eines Verlustausgleichs sind weniger die Vermögenswerte an sich relevant, sondern der konkrete Buchungssatz, mit dem die Eigenkapitallücke geschlossen werden soll. Hier verweist die Bundesbank auf Bewertungsreserven von 197 Mrd. Euro, die überwiegend das Gold betreffen (193 Mrd. Euro). Sie beruhen auf der Differenz der Anschaffungskosten zum aktuellen Marktkurs.

Gefährdung des Imparitätsprinzips

Dieser Ausgleichsposten aus Neubewertung steht als Passiva-Gegenbuchung für die Goldreserven, die auf der Aktiva-Seite zum Marktkurs bewertet werden. Damit wird dem Prinzip kaufmännischer Vorsicht Rechnung getragen, demgemäß unrealisierte Gewinne nicht ausgewiesen werden dürfen – denn der Goldpreis kann auch wieder sinken. Indem die Bundesbank den Ausgleichsposten als Steinbruch für zukünftige Verluste angreifen würde, gefährdet sie das Imparitätsprinzip als bilanzrechtlichen Grundsatz. Sie würde nicht realisierte stille Reserven für eine denklogische Sekunde heben und zur Deckung eines Fehlbetrages verwenden.

Die Gastautoren: Dirk Meyer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der
Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg
Arne Hansen ist Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Ordnungsökonomik, der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

Anders als die Goldbestände werden die QE-Wertpapiere in der Bilanz zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet. Hierbei wird lediglich die Differenz zwischen Anschaffungs- und Rückzahlungswert (Agio, Disagio) über die Restlaufzeit verteilt. Infolge der gestiegenen Kapitalmarktzinsen lag der Marktkurs der QE-Wertschriften Ende 2023 rund 10% (96 Mrd. Euro) unter diesen fortgeführten Anschaffungskosten. Eine Bewertung zu Marktkursen würde jedoch naheliegen, da gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum PSPP-Ankaufprogramm der EZB (Urteil 2 BvR 859/15, Rn. 216) „erworbene Schuldtitel wieder dem Markt zugeführt werden müssen, wenn eine Fortsetzung der Intervention zur Erreichung des Inflationsziels nicht mehr erforderlich ist“.

Unrealisierte Gewinne und Verluste

Allerdings erklärte Nagel, „aus geldpolitischer Sicht gibt es derzeit überhaupt keine Notwendigkeit, Anleihen zu verkaufen“ – was der bisherigen Praxis entspricht, die Anleihen bis zur Endfälligkeit zu halten. Doch wann könnte sich die gerichtliche Anforderung zur Vermeidung einer monetären Staatsfinanzierung dann überhaupt noch auswirken?

Die Grundsätze zur Rechnungslegung der Deutschen Bundesbank (2016) – ähnlich die Leitlinien der EZB (2016) – zeigen ein klares regulatorisches Bekenntnis zum Vorsichtsprinzip, demgemäß „unrealisierte Gewinne nicht in der Gewinn-und Verlust-Rechnung erfasst“ werden (§ 3 b), sie also „nicht erfolgswirksam vereinnahmt werden“ dürfen (§ 12 Abs. 1 b). Die Auflösung des Neubewertungspostens Gold zugunsten der Deckung eines Jahresfehlbetrages wäre jedoch eine Zuführung eines unrealisierten Gewinns zugunsten der GuV. Außerdem verbietet § 12 Abs. 1 e die Verrechnung unrealisierter Verluste aus einer Vermögensgattung mit unrealisierten Gewinnen einer anderen. Demnach könnten die gemäß den fortgeführten Anschaffungskosten vorzunehmenden Wertberichtigungen von QE-Papieren, ebenso die bei etwaiger Marktbewertung, nicht mit dem Neubewertungsposten für Gold verrechnet werden.

Indes hatte die Banca d’Italia bereits 2002 Anleiheverluste i.H.v. 21,8 Mrd. Euro mit einem für Gold gebildeten Neubewertungsposten i.H.v. 13,1 Mrd. Euro konsolidiert.

Um die stillen (Gold-)Reserven für zukünftige Verluste zu nutzen, gäbe es eine alternative Vorgehensweise. So hat die Zentralbank von Curaçao und St. Martin 2021 Verluste über ihr Goldaufwertungskonto ausgeglichen, indem sie durch den Verkauf und sofortigen Rückkauf eines Teils ihrer Goldreserven die unrealisierten Gewinne innerhalb einer Sekunde realisiert hat. Was in der Karibik möglich sein mag, dürfte bei deutlich größeren Volumina jedoch komplizierter werden und zudem das Vertrauen in die Bundesbank gefährden. In jedem Fall könnte eine selbstgebaute goldene Brücke also auf eher wackeligen bilanziellen Füßen stehen und das Testat der Wirtschaftsprüfer infrage stellen.