Konjunktur

Inflation nimmt Kurs auf 3 Prozent

Die Inflation in Deutschland hat die Marke von 2% überschritten und könnte in diesem Jahr auch noch die 3-Prozent-Marke erreichen oder knacken. Das befeuert die Debatte über einen stärkeren und dauerhafteren Trend zu mehr Inflation.

Inflation nimmt Kurs auf 3 Prozent

– Die Inflation in Deutschland hat die Marke von 2% überschritten und könnte in diesem Jahr auch noch die 3-Prozent-Marke erreichen oder knacken. Im April kletterte die Teuerungsrate gemessen am für EU-Zwecke berechneten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) von zuvor 2,0% auf 2,1%, wie Destatis am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Das befeuerte die Debatte über einen stärkeren und dauerhafteren Trend zu mehr Inflation. Die Europäische Zentralbank (EZB) spielt solche Sorgen bislang konsequent herunter.

Seit dem Jahreswechsel hat die Inflation in Deutschland – wie im Euroraum insgesamt und in vielen anderen Teilen der Welt auch – unerwartet deutlich angezogen. Das hat Diskussionen über ein Comeback der Inflation ausgelöst – nach Jahren mit Teuerungsraten deutlich unterhalb der Zielwerte der Notenbanken von verbreitet rund 2%. Das treibt auch Finanzmarktteilnehmer um und sorgt regelmäßig für Unruhe an den Börsen. Die EZB hat auf den spürbaren Anstieg der Anleiherenditen infolge des Inflationsanstiegs bereits mit einer zeitweisen Erhöhung ihrer Anleihekäufe reagiert.

Der erneute Anstieg der Inflationsrate in Deutschland im April – in nationaler Rechnung (VPI) sogar von 1,7% auf 2,0%; der höchste Stand seit zwei Jahren – ging nun vor allem auf die Energiepreise zurück. Sie legten um 7,9% zu. Ein Grund dafür ist die seit Jahresbeginn geltende CO2-Abgabe aus dem Klimapaket. Zudem ziehen die Weltmarktpreise für Öl an. Hinzu kommt ein Basiseffekt: Vor einem Jahr waren die Energiepreise durch die schwere Rezession infolge der ersten Coronawelle stark gefallen. Solche Effekte gelten aber ähnlich wie das Auslaufen der zeitweisen Mehrwertsteuersenkung als vorübergehend, weswegen auch die EZB bislang recht entspannt ist.

Allerdings lassen es die Daten auf den vorgelagerten Preisstufen zunehmend fraglich erscheinen, dass die Preise nur von Einmaleffekten wie der höheren Mehrwertsteuer getrieben werden. Die Erzeugerpreise hatten im März in Deutschland um 3,7% zugelegt – so stark wie seit November 2011 nicht mehr. „Die Rohstoffpreise ziehen an, das treibt die Import- und Erzeugerpreise. Wenn man dazu die Erwartung einer wieder deutlich anziehenden Konjunktur im zweiten Halbjahr 2021 nimmt, dann ist vorstellbar, dass die Inflation noch länger höher bleibt als bislang gedacht“, sagte Jens-Oliver Niklasch von der LBBW.

Zunehmend in den Fokus gerät in der Inflationsdebatte auch die Knappheit bestimmter Güter – etwa bei Halbleitern, aber auch bei Plastik, Sperrholzplatten, Styropor oder Silikon. „Die Knappheitsproblematik heizt den Produzentenpreisen weiter ein“, sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt von der VP Bank. Ob und in welchem Umfang das an den Endverbraucher weitergegeben werde, lasse sich zwar bislang noch nicht vollständig abschätzen. Aber, so Gitzel: „Sollten sich die gestiegenen Einstandspreise für Unternehmen in höheren Inflationsraten niederschlagen, wird dies zumindest einige Zeit dauern.“

Als wesentliches Argument gegen einen übermäßigen und dauerhaften Anstieg der Inflation gilt vielen Ökonomen, dass es bislang noch nicht zu einer Lohn-Preis-Spirale kommt. Die letzten Tarifabschlüsse hätten eher die Arbeitsplatzsicherheit in den Mittelpunkt gestellt. Viele Volkswirte erwarten denn auch nach dem absehbaren weiteren Anstieg der Inflation Richtung 3% einen Rückgang.

Auch Bundesbankchef Jens Weidmann hält für Deutschland zeitweise Inflationsraten von 3% in der zweiten Jahreshälfte 2021 für möglich. Danach rechnet er aber auch wieder mit deutlich weniger Inflation. Die Wirtschaftsweisen erwarten 2021 im Schnitt eine Inflationsrate von 2,1% – nach 0,5% im Vorjahr.

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