Europäischer Wiederaufbaufonds

Italien möchte mehr EU-Gelder

Mehrere italienische Minister fordern mehr Geld aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds sowie längere Fristen für die Umsetzung. Der Konflikt mit Brüssel ist damit programmiert – und die EZB hat ein Auge darauf.

Italien möchte mehr EU-Gelder

bl/ms Rom/Frankfurt

Italien steuert auf einen Konflikt mit der EU bei der Umsetzung des Europäischen Wiederaufbauprogramms zu. Mehrere Minister der neuen Regierung fordern sowohl eine Aufstockung der Mittel, obwohl Italien mit insgesamt 191,5 Mrd. Euro bereits größter Nutznießer des Programms ist, als auch längere Fristen für die Umsetzung. Dabei hinkt das Land bei der Umsetzung der für die Freigabe der Mittel verbundenen Reformverpflichtungen deutlich hinterher.

Infrastrukturminister Matteo Salvini bezeichnete die Frist für die Umsetzung bis 2026 als „sehr ehrgeizig“ und fordert eine Überprüfung auch der Höhe der Mittel. Der Ansicht sind auch Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin, der Minister für Zivilschutz Nello Musumeci und Luca Ciriani, Minister für Parlamentsbeziehungen. Ciriani sagte dem Corriere della Sera, entweder Rom erhalte mehr Geld oder man könne nicht alle geplanten Maßnahmen umsetzen. Premierminister Giorgia Meloni, die im Wahlkampf ebenfalls Korrekturen gefordert hatte, äußerte sich zunächst nicht. Italien hat wegen der ausufernden Bürokratie und fehlender personeller Kapazitäten erhebliche Probleme, von der EU bereits genehmigte Mittel auszugeben.

Rückstand bei Reformen

Rom hinkt aber auch bei der Umsetzung der Reformvorhaben, die Voraussetzung für die Freigabe neuer Mittel sind, erheblich hinterher. Damit droht Italien ein teilweiser Auszahlungsstopp. Insbesondere bei der Liberalisierung des Wettbewerbsrechts ist der Rückstand zu den Verpflichtungen groß. Brüssel missfällt offenbar auch, dass im Haushaltsentwurf eine Anhebung der Grenze für Bargeldzahlungen von 2000 auf 5000 Euro und Änderungen bei der Verpflichtung, digitale Zahlungsmethoden zu akzeptieren, geplant sind. Damit setze Italien falsche Signale im Kampf gegen die Steuerflucht, die zu bekämpfen sich Rom verpflichtet habe, ist zu hören. Eine Delegation der EU ist derzeit in Rom und überprüft die Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Aufbauprogramms.

Die Lage in Italien und die Gespräche zwischen Rom und Brüssel werden auch in der Europäischen Zentralbank (EZB) genauestens und mitunter mit einiger Sorge beobachtet. Die Euro-Hüter befürchten, dass der Reformprozess in der drittgrößten Euro-Volkswirtschaft zum Stillstand kommt oder Fortschritte sogar zurückgedreht werden. Erst am Montag hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde im EU-Parlament gemahnt, dass Italien die Reformen durchsetzen müsse, die als Gegenleistung für die EU-Gelder erforderlich sind. „Das ist eine großartige Gelegenheit, um zu zeigen, dass aus fiskalischer und struktureller Sicht eine starke Entschlossenheit bestehen kann, Italien in eine verbesserte wirtschaftliche Situation zu bringen“, so Lagarde.

Die EZB sorgt sich auch, dass neue Turbulenzen in Italien die wegen der Rekordinflation avisierte Normalisierung der Geldpolitik beeinträchtigen könnten. Nicht zuletzt mit Blick auf Italien hat der EZB-Rat das neue Anleihekaufprogramm TPI gegen übermäßige Renditeunterschiede aufgelegt. Bei einer möglichen Aktivierung könnte es aber erneut kontroverse Debatten unter den Euro-Notenbankern geben.