Kapitalmärkte bringen Trump zur Räson
Gastbeitrag: Handelskrieg und Geldpolitik
Kapitalmärkte bringen Trump zur Räson
Etwas mehr als 100 Tage ist US-Präsident Donald Trump mittlerweile im Amt. In dieser kurzen Zeit hat er bereits viel Porzellan zerschlagen. Doch eines ist ihm bisher nicht gelungen: die Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed auszuhebeln. So jedenfalls lässt sich deren jüngste Entscheidung deuten, die Leitzinsen weiter stabil zu halten und nicht dem Druck und der Forderung des US-Präsidenten nach einer raschen Zinssenkung nachzugeben.


Die Finanzmärkte hat Trump in der ersten Phase seiner zweiten Amtszeit hingegen mindestens vorübergehend ins Chaos gestürzt. Die Verunsicherung ist spätestens seit Anfang April riesig, als er massive Einfuhrzölle ankündigte. Ein Schritt, der die globale Ordnung ins Wanken brachte. Die internationalen Börsen reagierten auf die Ankündigungen und besonders den Handelskrieg mit China mit einer Vehemenz, wie man sie in den letzten drei Jahrzehnten nur selten erlebt hat – vergleichbar mit den Panikreaktionen während der globalen Finanzkrise 2008 oder der Corona-Pandemie ab dem Frühjahr 2020. Der US-Leitindex brach nach der Zolldrohung an zwei aufeinanderfolgenden Tagen um 4,2 beziehungsweise 5,2% ein. Der Dollar verlor innerhalb kürzester Zeit im Vergleich zu anderen wichtigen Währungen wie dem Euro fast 5% an Wert.
Trump geißelt Powell
Nur wenige Tage später eskalierte Trump sodann den seit seiner ersten Amtszeit schwelenden Konflikt mit dem US-Notenbankchef Jerome Powell und griff ihn frontal an. Seit Herbst vergangenen Jahres hat die US-Notenbank ihre Leitzinsen schrittweise um insgesamt einen Prozentpunkt gesenkt – deutlich weniger als die EZB. Trump hält diese Geldpolitik für zu zögerlich und zu wenig expansiv, will Powell entlassen. Er sei „Mr. Zu Spät“ – ein „Verlierer“.
Die Märkte verstanden diese Attacke als das, was sie war: ein direkter Angriff auf die Unabhängigkeit der US-Zentralbank. Und sie reagierten prompt – die Börsenkurse brachen erneut ein. Denn die Anleger befürchteten völlig zu Recht, dass die Beeinflussung der Geldpolitik durch die Regierung langfristig fatal für die Wirtschaft sein wird. Wie die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, führt dies zu Inflation und damit verbunden negativen Konsequenzen für das Wirtschaftswachstum. Politische Unabhängigkeit gilt als zentrale Voraussetzung für das Vertrauen in die Stabilität einer Währung und bildet einen wesentlichen Pfeiler zur Sicherung des US-Dollars als weltweiter Reservewährung.
Rütteln am Stabilitätsanker
Dies ist auch der Grund, wieso die Unabhängigkeit der Zentralbank einer der zentralen Bausteine moderner Wirtschaftssysteme ist und die Europäische Zentralbank, die jüngste und zweitwichtigste Notenbank weltweit, mit einer im internationalen Vergleich einmaligen Unabhängigkeitsgarantie ausgestattet wurde. Auch wenn die Unabhängigkeit der Fed nicht verfassungsrechtlich festgelegt und weniger stark ausgestaltet ist, dürften Trumps Drohungen dennoch ins Leere laufen. Die Mitglieder des Leitungsgremiums der Fed genießen zumindest persönliche Unabhängigkeit. Der Präsident darf ihnen grundsätzlich weder Weisungen erteilen, noch sie beliebig abberufen.
Der Einbruch der Börsen zwang Trump schließlich zum Rückzug, zuletzt sogar im Konflikt mit China: Die Strafzölle wurden „vorerst“ ausgesetzt oder deutlich reduziert und der Fed-Chef ist nach wie vor im Amt. Was Politik und Diplomatie erfolglos versucht haben, schafften die Finanzmärkte: Trump zur Räson zu bringen.
Macht der Märkte
Dieses Wechselspiel zeigt eindrucksvoll, wie wichtig Finanzmärkte geworden sind, um politische Eskapaden einzugrenzen. Längst disziplinieren sie in Form steigender Zinsen nicht nur überschuldete Staaten. Sie steuern die Tagespolitik und tragen – wie aktuell demonstriert – sogar dazu bei, dass normative Vorgaben unseres Wirtschaftssystems wie die Unabhängigkeit einer Notenbank eingehalten werden. Reaktionen von Finanzmarktteilnehmern erweisen sich als besonders wirkmächtig und übertreffen stellenweise sogar herkömmliche Arten demokratischer Einflussnahme. Im Schulterschluss mit der US-Notenbank Fed haben sie jedenfalls dem Versuch der geldpolitischen Einflussnahme durch die US-Regierung wirksam die Stirn geboten.