Mehr Spielraum bei der Schuldenbremse

Länder dürfen sich künftig verschulden

Mehr Verschuldungsspielraum für die Bundesländer und neue Pflichten nach den reformierten EU-Fiskalregeln: Das Kabinett billigt überfällige Gesetzentwürfe.

Länder dürfen sich künftig verschulden

Länder dürfen sich künftig verschulden

Bundeskabinett billigt Gesetzespaket mit mehr Spielraum in der Schuldenbremse

wf Berlin

Die Bundesländer dürfen sich künftig strukturell mit 0,35% des Bruttoinlandsprodukt (BIP) verschulden. Zugleich müssen sie sich Regeln und Sanktionen des reformierten EU-Fiskalpakts unterwerfen. Dazu hat das Kabinett in Berlin ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht. Zudem beschloss das Kabinett konkrete Vorgaben für die Länder, wie diese ihren Anteil von 100 Mrd. Euro am kreditfinanzierten Infrastruktursondervermögen nutzen dürfen. Anders als der Bund, der nur zusätzliche Investition aus dem Sondervermögen finanzieren darf, können die Länder alle Investitionen daraus bezahlen lassen. Das Zusätzlichkeitskriterium entfällt. Dies hatten die Länder dem Bund für ihre Zustimmung im Bundesrat zum steuerlichen Entlastungspaket für Unternehmen abgehandelt.

Die Verschuldungsmöglichkeit der Länder innerhalb der nationalen Schuldenbremse ist im neuen Strukturkomponentengesetz verankert. Es regelt auch die Aufteilung der Kreditoption unter den 16 Beteiligten. Angewendet wird der sogenannte Königsteiner Schlüssel, nach dem üblicherweise gemeinsame Finanzierungen gesplittet werden. In den Schlüssel fließt die Aufteilung des Steueraufkommens zu zwei Dritteln und die Bevölkerungszahl zu einem Drittel ein. Berechnet wird die zulässige Kreditaufnahme für jedes einzelne Land vom Bundesfinanzministerium.

Der Anteil von 0,35% des BIP entspricht derzeit rund 15 Mrd. Euro. Durch die Bereinigung um eine Konjunkturkomponente kann der strukturelle Betrag höher oder niedriger ausfallen. Bislang durfte sich nur der Bund mit 0,35% verschulden.

EU-Pakt gilt für Länder

Die noch ausstehende Anpassung der Vorgaben für die Bundesländer an die reformierten EU-Fiskalregeln hat das Kabinett ebenfalls gebilligt. Für 2025 gilt erstmals der neue Fiskalpolitische Pakt. Defizitquote und Schuldenstandsquote spielen nur noch eine Nebenrolle. Dafür gibt die EU-Kommission einen Nettoausgabenpfad für mehrere Jahre vor, der auf einer Schuldentragfähigkeitsanalyse aus Brüssel beruht. Das reformierte Haushaltsgrundsätzegesetz sieht vor, dass sich Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen nun an dem vom Europäischen Rat gebilligten Nettoausgabenpfad halten. Die neue Rechtgrundlage wird auch in das Sanktionszahlungs-Aufteilungsgesetz übernommen. Dieses stellt sicher, dass etwaige Sanktionen wegen Verletzung der europäischen Fiskalregeln nicht vom Bund allein, sondern auch von den Ländern zu tragen sind. Demnach würde der Bund 65% schultern müssen, die Länder 35%.

Auch künftig soll hierzulande der Stabilitätsrat über die Einhaltung der europäischen Fiskalregeln wachen. Ein solcher Fiskalrat ist im EU-Regelwerk für alle vorgeschrieben, aber in den anderen EU-Länder deutlich unabhängiger konzipiert. In Deutschland bilden die Finanzminister von Bund und Ländern das Gremium. Ihm zur Seite gestellt ist ein neunköpfiger unabhängiger Beirat aus Wissenschaftlern, Bundesbank, Kommunen und Sozialversicherung. Der Beirat kann Maßnahmen empfehlen, wenn der Nettoausgabenpfad überschritten wird. Umgekehrt müssen die Finanzminister zu Einschätzungen und etwaigen Empfehlungen des unabhängigen Beirates Stellung nehmen und abweichende Empfehlungen begründen. Dies ist aber nur in der Gesetzesbegründung angeführt. Der Beirat würde die Pflicht gern im Gesetz verankert sehen.

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