Mittelständler räumen Bürokratieabbau Vorrang ein
Mittelständler räumen Bürokratieabbau Vorrang ein
Studie: Ein Drittel der Unternehmen gibt Standort Deutschland die Note 5 oder 6 – Viel Kritik an hohen Energiekosten
md Frankfurt
Der deutsche Mittelstand bewertet die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kritischer denn je. Das zeigt die 23. Studie der Commerzbank zu „Unternehmerperspektiven“, die im Abstand von jeweils zwei Jahren durchgeführt wird. Ins Auge springen vor allem zwei Dinge: Die im Vergleich zum Umfrageergebnis von 2019 regelrecht eingebrochene Gesamteinschätzung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und die Forderung nach Bürokratieabbau, deren Relevanz alle anderen Herausforderungen – selbst Energiekosten, Steuerbelastung und Fachkräftemangel – deutlich übertrifft.
Anteil der Zufriedenen fällt in sechs Jahren von 65 auf 10 Prozent
Nur jede zehnte Führungskraft (oberste Ebene) der 1.525 Unternehmen, die zwischen Mitte Dezember 2024 und Mitte Februar 2025 – also nach der US-Präsidentschaftswahl, aber vor der Bundestagswahl – vom Forschungsinstitut Forsa befragt wurden, bewertete die Rahmenbedingungen in Deutschland mit „sehr gut“ oder „gut“. In der Studie von 2019 lag dieser Wert gemäß Aleksa Möntmann, Leiterin der Marktforschung bei Forsa, noch bei 65%.
In der aktuellen Erhebung gaben 60% der Befragten die Schulnoten „befriedigend“ oder „ausreichend“. Fast ein Drittel stufte das Umfeld aber als „mangelhaft“ oder „ungenügend“ ein. Im Ranking von Wirtschaftsnationen landet Deutschland damit hinter Ländern wie Vietnam und Italien; 2019 hatte Deutschland noch auf Platz 1 gelegen.
Positive Impulse von neuer Regierung erwartet
„Der Standort Deutschland hat in den vergangenen Jahren deutlich an Attraktivität verloren“, stellte Michael Kotzbauer fest. Im Gespräch mit Medienvertretern sagte der Commerzbank-Firmenkundenvorstand: „Unternehmen erwarten jetzt zu Recht positive Impulse von der neuen Regierung, die ihre Handlungsfähigkeit und unternehmerische Freiheit erweitern.“

Die befragten Unternehmen machten sehr deutlich, dass sie den Bürokratieabbau als größte Herausforderung sehen; 46% der Führungskräfte nannten dieses Thema als einen der drei wichtigsten Hebel, um eine wirtschaftliche Aufbruchstimmung zu erzeugen. Mit großem Abstand folgen die Energiekosten (29%) sowie die Steuerbelastung bzw. Fachkräfte (jeweils 21%). Diese Position wird durch die Forderungen an Staat und Politik unterstrichen: 98% sehen den Abbau von Bürokratie und weniger Regulierung als die dringendste Aufgabe an.
„Wettbewerbsfähige Energiepolitik“
Der Schirmherr der diesjährigen „Unternehmerperspektiven“, Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), versicherte, dass die Anliegen der mittelständischen Wirtschaft von der Politik sehr ernst genommen würden. „Wir brauchen einen Comeback-Plan für die deutsche Wirtschaft – mit Bürokratieabbau in großem Stil, Steuererleichterungen für die breite Mitte und einer wettbewerbsfähigen Energiepolitik“, wird er in einer Mitteilung zitiert. Commerzbank-Vorstand Kotzbauer schloss sich dieser Meinung an: „Die in den vergangenen Jahren überbordende Bürokratie bremst und frustriert und steht Investitionen im Weg.“ Er begrüßte die sogenannte Omnibus-Verordnung der EU. Die Europäische Kommission macht darin Vorschläge zur Vereinfachung der EU-Vorschriften. Ziel ist es, den bürokratischen Aufwand für Unternehmen, insbesondere für kleine und mittelständische (KMU), zu reduzieren.
Auf die Frage der Börsen-Zeitung, ob der Bürokratieabbau auch die in den vergangenen Jahren stark zugenommenen Vorschriften und Dokumentationspflichten in Bezug auf Klima- und Umweltschutz erfassen sollte, sagte Kotzbauer, die Berichtspflichten müssten reduziert werden. Grundsätzlich sei die Transformation zu erneuerbaren Energien aber richtig; „sie gehören substanziell zum künftigen Energiemix“. Doch sei die Transformation nur nachhaltig, wenn sie auch ökonomisch nachhaltig sei. „Wir brauchen wettbewerbsfähige Energiekosten.“
Lieferkettengesetz vor dem Aus
Am Montag hatte die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand von der neuen Bundesregierung sieben Maßnahmen für die ersten 100 Tage eingefordert. Die Wirtschaft leide unter hohen Energiepreisen sowie hohen bzw. steigenden Bürokratie-, Steuer- und Abgabenlasten. „Mit der unberechenbaren US-Zollpolitik bahnen sich weitere Verwerfungen an“, heißt es. Es drohe das dritte Rezessionsjahr in Folge. Aus Sicht der AG Mittelstand sind sieben Maßnahmen prioritär, um Stimmung und Lage schnell zu verbessern, darunter Strompreissenkungen, umfangreiche Abschreibungsregelungen und eine Unternehmenssteuerreform „für alle“. Natürlich wird auch Bürokratieabbau gefordert, zu dem auch die Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) sowie der seit 2020 geltenden Bonpflicht gerechnet werden können.