Konjunkturtableau

Ökonomen bewahren Ruhe

Auch wenn sich die Stimmung in der Industrie zuletzt eingetrübt hat, zeigen sich die Experten im Konjunkturtableau weiter zuversichtlich. Sie gehen von einem anhaltenden Wachstumskurs der deutschen Wirtschaft aus.

Ökonomen bewahren Ruhe

ba Frankfurt

Gegen Ende der Sommerferien mehren sich die Sorgen, ob die deutsche Konjunktur trotz steigender Coronazahlen, hartnäckigeren Lieferengpässen als erwartet und weiter steigenden Preisen den Wachstumskurs halten kann. Allerdings erfolgte die Stimmungseintrübung im August auf hohem Niveau, und so signalisiert der finale Einkaufsmanagerindex Industrie weiter ein solides Wachstum. Diese Einschätzung zeigt sich auch im aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung und des Mannheimer Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie fiel den endgültigen Daten zufolge um 3,3 auf 62,9 Punkte und damit auf den niedrigsten Stand seit Februar. Laut dem Analysehaus IHS Markit liegt das monatlich erhobene Stimmungsbarometer damit aber immer noch komfortabel über der Referenzlinie von 50 Punkten. Werte darüber signalisieren Wachstum. „Während die Nachfrage nach deutschen Produkten weiter beständig steigt und die Anzahl der Neuaufträge nach wie vor zu den höchsten in der Umfragegeschichte gehört, musste die Produktion aufgrund der anhaltenden Lieferengpässe vielerorts gedrosselt werden“, kommentierte IHS-Markit-Experte Phil Smith. Das Produktionswachstum sei mittlerweile so stark hinter den Auftragseingang zurückgefallen wie nie zuvor seit Beginn der Datenreihe vor über 25 Jahren.

Auch für die Euro-Industrie erwies sich der Mangel an Komponenten erneut als Hauptproblem. Die anhaltend hohen Materialpreise verschärften die Probleme der Unternehmen zusätzlich, erklärte Chris Williamson, Chefökonom bei IHS Markit. Der finale Einkaufsmanagerindex für die Euro-Industrie fiel zum Vormonat um 1,4 auf 61,4 Punkte, das sind 0,1 Punkte weniger, als die Vorabschätzung ergeben hatte. Abgekühlt hat sich die Industriekonjunktur aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, wohingegen sich die Steigerungsrate in Spanien und Italien vergrößert hat.

Insgesamt aber stehen die Signale in Euroland auch in deren größter Volkswirtschaft klar auf Wachstum. Auch wenn das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) hierzulande im ersten Halbjahr um 0,4 Prozentpunkte zurückging, seien die Experten zuversichtlich, „dass sich die deutsche Wirtschaft inzwischen auf einem relativ robusten Wachstumspfad befindet“, kommentierte ZEW-Experte Michael Schröder mit Blick auf die BIP-Prognosen, die für 2021 um 0,1 Prozentpunkte auf 3,5% leicht gesenkt und für 2022 um 0,1 Punkte auf 4,4% angehoben wurden. Dabei soll das Wachstum im kommenden Jahr hauptsächlich vom privaten Konsum und von den Anlageinvestitionen getragen werden, nachdem im laufenden zweiten Halbjahr bereits neben den Anlage­investitionen verstärkt auch der Außenhandel als Wachstumstreiber zum privaten Konsum und zu den Staatsausgaben hinzukommen soll.

In Sachen Inflation teilen die Experten weiterhin die Ansicht der Europäischen Zentralbank (EZB), dass die steigenden Preise ein temporäres Phänomen sind. Denn die Medianprognosen, die das ZEW monatlich für das Konjunkturtableau ermittelt, blieben laut Schröder für dieses und das kommende Jahr „praktisch unverändert“ im Vergleich zur vorherigen Erhebung.

Falls die Prognosen zutreffen sollten, hätte die EZB Schröder zufolge zwar keinen Handlungsbedarf in Richtung einer harten Geldpolitik, denn das Inflationsziel würde in diesem Jahr gerade erreicht und im nächsten Jahr wieder leicht unterschritten. „Sie sollte allerdings allmählich dazu übergehen, die noch immer bestehende ultralockere Geldpolitik in Richtung einer Normalsituation zu verändern“, empfiehlt er. Dies würde bedeuten, die kurzfristigen Zinsen auf Werte von (leicht) über 0% zu erhöhen. Allerdings gehen die Experten „sogar noch für 2022 von unverändert negativen Zinsen aus, und zwar sowohl bei kurzen als auch bei langen Laufzeiten“, so Schröder.

Konjunkturtableau Deutschland
1. Quartal2. QuartalPrognose 2021Prognose 2022
2019202020212021TiefMedianHochTiefMedianHoch
Volkswirtschaftliche Daten
Bruttoinlandsprodukt10,6−4,9−2,01,62,73,54,53,04,45,5
Privatkonsum1) 1,6−6,1−5,23,2−0,32,04,91,96,38,9
Staatskonsum12,53,3−0,71,80,31,88,1−1,80,26,2
Anlageinvestitionen12,5−3,1−0,70,50,64,29,71,04,67,1
Exporte10,9−9,41,40,53,110,215,61,45,88,2
Importe11,9−8,54,22,1−2,99,915,3−3,67,110,7
letzter Wert
Verbraucherpreise2) 1,40,53,9 (August) *)2,12,63,00,81,82,7
Arbeitslosenquote35,05,95,6 (August) *)4,25,86,04,45,25,8
Zinsen und ZinsdifferenzenIn 3 MonatenIn 12 Monaten
3-Monats-Geld3−0,36−0,43−0,55−0,6−0,5−0,5−0,6−0,5−0,5
10-jährige Anleihen3−0,14−0,57−0,38−0,5−0,20,2−0,5−0,10,3
USA/Eurozone, langfristig34205151169140179200160189205
USA/Eurozone, kurzfristig3426910767606980637380
Eurozone lang/kurz342214175337054280
1) real gegen Vorjahr bzw. Vorquartal in %; 2) gegen Vorjahr in %; 3) Werte für 2019 und 2020 sind Jahresdurchschnitte. Letzter Wert der Zinsen und Zinsdifferenzen sind Stände vom Vortag; 4) in Basispunkten *) Schätzung
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