Inflation

Preisauftrieb in Deutschland legt weiter zu

Der kräftigste Preisanstieg auf Ebene des Großhandels seit mehr als 47 Jahren wird perspektivisch auch bei den Verbrauchern zu höheren Preisen führen. Auch der HWWI-Rohstoffpreisindex legte zu.

Preisauftrieb in Deutschland legt weiter zu

ba Frankfurt

Der Preisauftrieb in Deutschland hat im September abermals an Schwung gewonnen. Die Großhandelspreise haben so kräftig zugelegt wie seit mehr als 47 Jahren nicht mehr. Auch der vom HWWI errechnete Rohstoffpreisindex hat vor allem wegen Preissteigerungen an den Energierohstoffmärkten im September deutlich zugelegt. Perspektivisch werden Verbraucher diesen Inflationsdruck zu spüren be­kommen, der sich auf den vorgelagerten Stufen der Wertschöpfung auftürmt. Dies gibt den Skeptikern neue Nahrung in der Diskussion, ob es sich bei der derzeitigen Inflation tatsächlich nur um ein temporäres Phänomen handelt. So wird es zumindest derzeit noch im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) gesehen.

Im September kletterten die Großhandelspreise vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) zufolge um 13,2% im Jahresvergleich. Ein stärkeres Plus auf Jahressicht hatte es zuletzt mit 13,3% im Juni 1974 während der ersten Ölkrise gegeben. Den Wiesbadener Statistikern zufolge hat sich damit der Preisauftrieb beschleunigt, nachdem die Jahresrate im August bei 12,3% und im Juli bei 11,3% gelegen hatte. Im Vergleich zum August stiegen die Großhandelspreise im September um 0,8%.

Preissprung bei Rohstoffen

Destatis erklärt die Entwicklung mit zwei Faktoren: zum einen mit den „aktuell stark gestiegenen Preisen für viele Rohstoffe und Vorprodukte“. Zum anderen komme ein Basiseffekt infolge des sehr niedrigen Preisniveaus der Vorjahresmonate im Zusammenhang mit der Coronakrise zum Tragen. So hatten die Preisanstiege im Großhandel mit Erzen, Metallen und Metallhalbzeug (62,8% binnen Jahresfrist) sowie mit Mineralölerzeugnissen (42,3%) den größten Einfluss im September auf die Großhandelspreise.

Der HWWI-Rohstoffpreisindex belegt denn auch die Beobachtung der Statistiker. Das Barometer des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) stieg im September um durchschnittlich 8,8% (auf Dollarbasis) zum Vormonat und lag damit um 91,5% über dem Vorjahreswert. Den Anstieg führen die Hamburger Ökonomen auf starke Preissteigerungen auf den Energierohstoffmärkten (+11,3%) zurück. Neben den Kohle- und Erdgaspreisen zogen auch die Rohölpreise stark an. Dass die Preise auf den Märkten für europäisches Erdgas am stärksten zulegten, spiegele die leeren Erdgasspeicher wider. Entgegen dem Trend sind die Preise für Industrierohstoffe sowie für Nahrungs- und Genussmittel im Durchschnitt gesunken, heißt es beim HWWI.

Die Entwicklung der Großhandelspreise liefert zusammen mit den Erzeuger- und Importpreisen ein Indiz für weiter steigende Verbraucherpreise. Die Erzeugerpreise hatten zuletzt auf Jahressicht so kräftig zugelegt wie seit der ersten Ölkrise 1974 nicht mehr, bei den Importpreisen war es der stärkste Anstieg seit der zweiten Ölkrise 1981. Produzenten mussten laut Destatis im August 12,0% mehr als im Vorjahr zahlen, die Septemberdaten folgen in der kommenden Woche. Die Importpreise kletterten im August auf Jahressicht um 16,5% – die Septemberdaten folgen bis Ende des Monats.

Ökonomen erwarten, dass Destatis am heutigen Mittwoch die vorläufig gemeldete Jahresrate der Verbraucherpreise von 4,1% für September bestätigt. Die Inflationsrate liegt damit auf dem Niveau wie zuletzt Ende 1993 – und Experten erwarten für den weiteren Jahresverlauf noch Werte von um die 5%. Ökonomen greifen in ihren Kommentaren seit kurzem häufiger den Begriff der „Stagflation“ auf, der in den 1970er Jahren im Zuge der Ölkrise geprägt wurde und für steigende Inflationsraten bei zugleich rückläufigem oder geringem Wirtschaftswachstum steht.

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