Schärfere Investitionskontrolle bereitet Unbehagen
Von Angela Wefers, BerlinKurz vor der Weihnachtspause hat die Bundesregierung eine umstrittene Verschärfung der Investitionskontrolle hierzulande im Kabinett gebilligt. In Kürze sollen Investitionen aus Nicht-EU-Ländern in Unternehmen aus dem Verteidigungssektor oder aus zivilen sicherheitskritischen Branchen bereits von einer Beteiligungsschwelle von 10 % an der staatlichen Investitionskontrolle unterliegen. Bislang sind es noch 25 %. Die betroffenen Branchen sind in der Außenwirtschaftsverordnung und der Kritikos-Verordnung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) niedergelegt. Die Kontrolle zielt auf die Infrastruktursektoren Energie, Wasser, Telekommunikation, Gesundheit, Transport, Ernährung sowie das Finanz- und Versicherungswesen. Neu aufgenommen in die Liste werden Unternehmen der Medienwirtschaft, die “mittels Rundfunk, Telemedien oder Druckerzeugnissen zur öffentlichen Meinungsbildung” beitragen und sich durch “besondere Aktualität und Breitenwirkung” auszeichnen. So steht es in der Novelle.Der Industrieverband BDI und die Handelskammerorganisation DIHK, zwei Schwergewichte der Wirtschaftslobby, hatten die Verschärfung im Dezember sehr deutlich kritisiert. Beide treibt um, dass ein exportabhängiges Land wie Deutschland offen bleiben muss für ausländische Investitionen. Stefan Mair aus der BDI-Hauptgeschäftsführung verwies darauf, dass 3 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland für Unternehmen in ausländischer Hand arbeiteten und deutsche Unternehmen 7 Millionen Arbeitsplätze im Ausland geschaffen hätten. Auch für den DIHK bleibt die deutsche Wirtschaft angesichts ihrer Internationalität und der Breite ihres Mittelstandes auf offene Grenzen, Schutz des Eigentums sowie Kapitalverkehrsfreiheit angewiesen. Außenwirtschaftschef Volker Dreier räumte zwar ein, dass die öffentliche Sicherheit schützenswert sei – wie es die Außenwirtschaftsverordnung verlangt -, fordert aber eine gründliche Abwägung und eine akzeptable Lösung. Die Prüfschwelle von 10 % sei “problematisch”. Ungehemmte Politik Weniger besorgt ist allerdings der Verband der Investment Professionals DVFA. Ihren Vorsitzenden, Stefan Bielmeier, zugleich Chefvolkswirt der DZ Bank, treibt zunehmendes Unbehagen wegen der Ungleichheit der Systeme um. Die USA und China betrieben ungehemmte Politik zugunsten ihrer Wirtschaft, China noch dazu mit staatlichen Mitteln und politisch gelenkt, lautet die Argumentation. Fast zwei Drittel der Mitglieder der DVFA hatten sich im Sommer 2018 für Kontrollen von unionsfremden Investoren in Europa in kritische Infrastrukturen ausgesprochen. In diversen EU-Ländern, aber auch in den G7-Staaten USA und Japan sind Eingriffsschwellen bei der Überprüfung von Investitionen und die Untersagungsmöglichkeit schon geregelt (siehe Kasten). Nicht wettbewerblich getriebene Investitionen hält zwar auch der BDI für problematisch, sieht aber das Instrument der Beteiligungskontrolle als ungeeigneten Schutzmechanismus an. Die Regierung müsse vielmehr Wettbewerbsrecht und Subventionskontrolle nachbessern, verlangt die Industrie.Die Sorge wegen des gezielten Aufkaufs deutscher Schlüsseltechnologie – noch dazu mit staatlichen Mitteln – treibt auch die Bundesregierung um. Zugleich ist Berlin darauf bedacht, Sorgen zu zerstreuen, Deutschland könnte seine Märkte staatlich abschotten. Es müsse lediglich genauer hingesehen werden, da viele unionsfremde Investitionen unter der Schwelle von 25 % blieben und so durch die Maschen des Kontrollnetzes schlüpften, wird beruhigt. Die niedrigere Prüfschwelle von 10 % ermögliche dies. Die ebenfalls lang diskutierte Marke von 15 % hat Berlin zugunsten der Benchmark-Definition der OECD aufgeben. Direktinvestitionen, die durch langfristiges Interesse und Kontrollanspruch des Investors gekennzeichnet sind, werden dort an 10 % festgemacht und so zu Portfolioinvestitionen abgegrenzt. 2 000 Firmen betroffen Bis zu 2 000 Unternehmen dürften hierzulande in die Kategorie der kritischen Infrastruktur fallen, ohne dass klar ist, wie sich die Zahl der Prüfungen von derzeit rund 70 bis 80 Fällen im Jahr entwickeln wird. Untersagungen gab es bislang keine. Bei Leifeld Metal Spinning hatte das Kabinett das Bundeswirtschaftsministerium dazu ermächtigt, doch wurde der Verkauf an den chinesischen Investor kurz zuvor abgeblasen. Beim Netzwerkversorger 50Hertz fädelte Berlin eine Umwegkonstruktion ein: Das Förderinstitut KfW übernahm die zum Verkauf stehenden Anteile. Anders als vielfach unterstellt, kommt die Mehrzahl der Prüffälle – zumindest bislang – nicht aus China. Die größte “Kundengruppe” stammt aus den USA. Überzeugt sind die Wirtschaftsverbände, aber auch Anwälte, dass die Transaktions- und Rechtssicherheit durch die Verschärfung leidet. Das unveränderte Prüfverfahren im Ministerium wird von Beteiligten als intransparent empfunden. Es erschwert ihnen die Planung des Transaktionsprozesses.Die Novelle dürfte in Kürze mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Die Verordnung erlässt allein die Regierung. Bundestag und Bundesrat können nur noch die Notbremse ziehen. Die Länderkammer darf binnen vier Wochen Stellung nehmen. Der Bundestag kann innerhalb von vier Monaten die Aufhebung der Verordnung verlangen.Widerstand der Parlamentarier zeichnet sich indessen nicht ab. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Joachim Pfeiffer, mahnt zwar an, dass Deutschland eine offene Volkswirtschaft bleiben müsse, sieht die politische Marschrichtung aber darin, auf Öffnung heute noch geschlossener Märkte zu dringen. Die Bundesländer hatten auf Antrag Bayerns bereits im April in einer Entschließung verlangt, die Prüfschwelle auf unter 25 % zu senken.