Sentix-Index überwindet Zollschock
Sentix-Index überwindet Zollschock
Barometer für Euroraum klettert auf zweithöchsten Wert in diesem Jahr
ba Frankfurt
Die Börsianer haben den ersten Schock nach den Zollankündigungen von US-Präsident Donald Trump am „Liberation Day“ Anfang April verdaut und blicken wieder etwas optimistischer auf die Konjunktur im Euroraum. Die Sentix-Konjunkturerwartungen kletterten im Mai um 11,4 auf –8,1 Punkte und damit den zweitbesten Wert in diesem Jahr. „Einen Monat nach den schockartigen Negativimpulsen durch die US-Zollpolitik lichtet sich der Pulverdampf“, erklärte Manfred Hübner, Geschäftsführer der Beratungsfirma Sentix, mit Blick auf das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 1.068 Investoren. Die Zollankündigungen hatten den Gesamtindex im April auf den tiefsten Wert seit Oktober 2023 rutschen lassen.
Lob für Besonnenheit
Die Anleger goutierten „die bislang besonnene Reaktion der EU-Kommission auf die US-Zollpolitik“. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Aussichten auf die künftige Entwicklung wurde besser bewertet. „Das ist beachtlich, zeigt es doch, dass die Anleger einen Großteil ihrer noch im Vormonat geäußerten Rezessionsbefürchtungen wieder kassiert haben“, erklärte Hübner. Es würden zudem keine negativen Inflationsüberraschungen erwartet. Aus Sicht der Anleger seien weitere Zinssenkungen der EZB möglich.
Auch Deutschland profitiert Hübner zufolge davon, dass es seitens der EU keine Signale für eine unmittelbar bevorstehende Eskalationsspirale in Sachen Zollstreit gebe. Zudem nehme mit der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler die neue Regierung ihre Amtsgeschäfte auf. „Die Anleger sind jedenfalls bereit, einen gewissen Vertrauensvorschuss zu leisten“, erläuterte Hübner. Der Gesamtindex für die deutsche Wirtschaft kletterte um 11,8 auf –16,0 Punkte. Vor allem die Erwartungen legten dabei zu.
Leidtragende sind USA und China
„Hauptleidtragende von Trumps Zollpolitik sind derweil die US-Wirtschaft und teilweise die Konjunktur in China und der Schweiz“, analysiert Hübner. Der US-Index fiel im April auf das niedrigste Niveau seit Juni 2020, wobei das Teilbarometer für die Konjunkturerwartungen auf den tiefsten Stand seit der Lehman-Pleite im Oktober 2008 einbrach. Im Mai erholte sich der Gesamtindex leicht und stieg um 4,1 auf –17,9 Zähler. Allerdings gab die Lagekomponente den dritten Monat in Folge nach und notiert nun auf dem tiefsten Stand seit Januar 2021. „Bislang vermitteln die Sentix-Konjunkturdaten den Eindruck, als hätte Trump mit seiner erratischen Zollpolitik vor allem die USA selbst beschädigt“, betonte Hübner. Eine schnelle Reaktion der Fed hält er allerdings für unwahrscheinlich.
„Entspannter Befund“
Der Weltkonjunktur bescheinigte Hübner insgesamt „Verdauungsprobleme“. Die globale Konjunktur bleibe angeschlagen. Der Gesamtindex legte wegen der höheren Erwartungen um 8,3 auf –3,7 Zähler zu. Alles in allem aber „haben die Anleger inzwischen ein gegenüber März gedämpftes, aber im Grunde ‚gelassenes‘ Konjunkturbild vor Augen“, resümiert der Sentix-Geschäftsführer. Vor dem Hintergrund der Unberechenbarkeit Trumps und der Schwächesignale seitens der US-Konjunktur sei dies „ein doch überraschend entspannter Befund“. Die Unsicherheitsphase sei aber wohl noch nicht beendet.