Geldpolitik

Soziale Kluft als Problem für die EZB

Soziale Ungleichheit schmälert das Vertrauen in die EZB – wobei vor allem Haushalte mit geringen Einkommen unzufrieden mit der Notenbank sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie – von der EZB selbst.

Soziale Kluft als Problem für die EZB

ms Frankfurt

Soziale Ungleichheit schmälert das Vertrauen in die Europäische Zentralbank (EZB) – wobei vor allem Haushalte mit geringen Einkommen unzufrieden mit der Notenbank sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der EZB selbst, die die Notenbank am Mittwoch veröffentlichte. Die Autoren empfehlen der EZB, noch besser zu erklären, wie sie mit der Sicherung der Preisstabilität zur wirtschaftlichen Stabilität beitragen und sozialen Unterschieden entgegenwirken könne.

Die Studie kommt zu einer Zeit, da die rekordhohe Inflation für zu­nehmende Kritik an der EZB sorgt. Vor allem in den unteren Einkommensgruppen nagt die hohe Teuerung an der Kaufkraft. Im Euroraum lag die Teuerung im März bei 7,4% und damit auf einem absoluten Rekordniveau seit Einführung des Euro 1999. Speziell in Deutschland wächst die Kritik an der EZB und der weiter sehr expansiven Geldpolitik.

Bemerkenswert ist die Studie zudem, weil in den vergangenen Jahren die Debatte über die Verteilungswirkungen der Geldpolitik und einen Einsatz geldpolitischer Instrumente für weniger Ungleichheit an Brisanz gewonnen hat – nicht zuletzt im Zuge der Strategieüberprüfungen der US-Notenbank Fed und der EZB. Teile der Öffentlichkeit und der Politik drängen die Zentralbanken zu einer aktiveren Rolle. Unter den Notenbankern ist das Thema umstritten.

Einkommen entscheidend

Die Studie attestiert nun, dass die Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen habe und die Pandemie den Trend noch verstärke. Die Verantwortung, darauf zu reagieren, schreibt sie zwar der Politik zu. „Aber die Bürger können auch erwarten, dass die Zentralbanken Maßnahmen er­greifen, und ihre Einstellung gegenüber der Zentralbank kann daher von objektiven und subjektiven Messgrößen und Wahrnehmungen der wirtschaftlichen Ungleichheit beeinflusst werden.“

Erste Anzeichen deuteten darauf hin, dass ein höheres Einkommensgefälle und die damit verbundene Wahrnehmung für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die EZB von Bedeutung sein könnten. „Das Vertrauen in die EZB ist in Ländern mit höherer Einkommensungleichheit tendenziell geringer und umgekehrt“, so die Autoren. Auf individueller Ebene schließlich zeigten die Bürger, die die Einkommensungleichheit als „zu groß“ empfinden, tendenziell ein et­was geringeres Vertrauen in die EZB.

Die Autoren stützen ihre Informationen auf Daten aus sechs Euro-Staaten: Demnach bezeichnen mehr als 75% der Befragten in Belgien, Spanien und Italien die Schere zwischen Arm und Reich in ihren Ländern als zu groß. In Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden sei dieses Gefühl in den unteren Einkommensschichten jeweils weit stärker ausgeprägt als bei Wohlhabenden. In Deutschland und Frankreich ist zugleich das Vertrauen in die EZB bei denjenigen schwächer ausgeprägt, die eine starke soziale Kluft in ihrem Land wahrnehmen.

Bemühungen um ein besseres Verständnis für das Mandat und die Aufgaben der EZB können laut den Autoren dazu beitragen, das Vertrauen in die Institution zu stärken. So schütze die EZB gerade die Kaufkraft unterer Einkommensgruppen, wenn sie ihr Mandat der Preisstabilität erfülle.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.