Materialknappheit

Steigende Preise schüren Inflationssorgen

Auch in Deutschland gibt es Sorgen vor einer Rückkehr der Inflation, die stärker und dauerhafter ausfallen könnte als erwartet. Die zunehmenden Engpässe und teils starken Preisanstiege bei vielen Vorprodukten und Rohstoffen schüren solche Sorgen.

Steigende Preise schüren Inflationssorgen

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Die zunehmenden Engpässe und teils starken Preisanstiege bei vielen Vorprodukten und Rohstoffen führen nicht nur zu Sorgen, dass die erhoffte und sich bereits abzeichnende Konjunkturerholung auch in Deutschland in Gefahr oder zumindest ins Stocken geraten könnte. Sie schüren zudem Sorgen über eine Rückkehr der Inflation, die stärker und dauerhafter ausfallen könnte als erwartet – nachdem die Inflation jahrelang kein Thema mehr zu sein schien.

In Deutschland ist die Teuerung – wie weltweit – zu Jahresbeginn be­reits deutlich und stärker als erwartet angestiegen. Im April erreichte sie gemessen an dem für EU-Zwecke berechneten Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) 2,1%. Ende 2020 hatte sie sogar noch unter 0% gelegen. Für den weiteren Jahresverlauf prophezeit die Europäische Zentralbank (EZB) einen Anstieg auf mehr als 3%. Dafür sind bislang primär Basis- und Einmaleffekte verantwortlich: der Einbruch der Ölpreise im Frühjahr 2020, die neue CO2-Abgabe seit Jahresbeginn oder das Auslaufen der temporären Mehrwertsteuersenkung.

Inzwischen nehmen aber Sorgen zu, dass der aktuelle Inflationsanstieg womöglich doch nicht so temporär ist, wie es auch die EZB unterstellt – und weswegen die EZB auch absehbar keinerlei Abkehr von ihrer ultralockeren Geldpolitik in Betracht zieht. Und dabei ist es nicht zuletzt der Trend auf den vorgelagerten Preisstufen, der es immer fraglicher erscheinen lässt, dass die Preise nur von Einmaleffekten getrieben werden. Großhandels-, Import- und Erzeugerpreise – sie alle verzeichneten zuletzt im März die stärksten Anstiege seit dem Jahr 2011.

Insbesondere die Erzeugerpreise ließen dabei aufhorchen. Sie verzeichneten im März einen Anstieg um 3,7% zum Vorjahr – das stärkste Plus seit November 2011. Im Februar hatte der Wert noch bei 1,9% gelegen. Für diesen rasanten Anstieg waren zwar auch zum Teil die Energiepreise verantwortlich. Allerdings gab es auch deutliche Preisanstiege bei den Vorleistungsgütern, vor allem bei Sekundärrohstoffen, Holz und Metallen. Die Vorleistungsgüter verteuerten sich um 5,7%.

Zweifel an Zusammenhang

Während nun allgemein erwartet wird, dass sich diese Trends auch wegen der Güterknappheit zumindest vorerst fortsetzen, scheint weniger klar, was das für die Verbraucherpreise bedeutet. Inflationäres Potenzial könnte sich insbesondere ergeben, wenn es den Anbietern gelingt, dauerhaft steigende Preise durchzusetzen. Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts erwarten die deutschen Industrieunternehmen stark steigende Absatzpreise. Der Inflationsanstieg könnte so in diesem Jahr noch einmal ausgeprägter ausfallen als ohnehin schon erwartet.

Es ist aber insbesondere dieser Preissetzungsspielraum, der für viele Sektoren fraglich erscheint – zumal wegen der Coronakrise. In der Vergangenheit gab es immer wieder Phasen mit stark steigenden Produzentenpreisen – ohne nachhaltigen Anstieg der Konsumentenpreise (siehe Grafik). Hinzu kommt, dass die aktuellen Störungen verbreitet als temporär angesehen werden, womit sich das Preisgeschehen perspektivisch wieder normalisieren könnte. Ein wichtiger Faktor könnte auch die Zukunft des globalen Handels sein, der generell preisdämpfend wirkt.

Für ein finales Urteil scheint es aktuell aber noch zu früh – und die Unsicherheit ist groß. Das dürfte zumindest die Sorgen vorerst nicht verschwinden lassen.