Rentenreform

Streiks bremsen Frankreich aus

Während im Senat die Debatte über die von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnte Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre beginnt, planen französische Gewerkschaften weitere Streiks.

Streiks bremsen Frankreich aus

wü Paris

Das Ziel der französischen Gewerkschaften lautete: „Frankreich zum Stillstand bringen.“ Während der Senat über die von Präsident Emmanuel Macron gewünschte Rentenreform debattiert, versuchen sie, die Regierung mit flächendeckenden Streiks und Massendemonstrationen dazu zu bringen, das Projekt doch noch fallen zu lassen.

Die Bahngesellschaft SNCF, Nahverkehrsbetreiber wie der RATP aus Paris und Air France mussten deshalb am Dienstag Zug-, Metro- und Flugverbindungen streichen. Nach Angaben der kommunistischen Gewerkschaft CGT wurde in allen Raffinerien des Landes die Auslieferung von Kraftstoffen blockiert, genau wie drei der vier französischen LNG-Termi­nals. Auch Stromversorger EDF (Electricité de France), die Gasspeicher von Storengy, Müllabfuhr und Schulen waren von Streiks betroffen.

Die Gewerkschaften wollen den Streik am Mittwoch fortsetzen. Dessen ungeachtet dürfte der Senat noch in dieser Woche über die geplante schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre abstimmen. Dies lehnt eine Mehrheit der Franzosen ab. Entsprechend befürwortet eine Mehrheit die Streiks gegen die Rentenreform. Der Beginn der Debatte über die Anhebung des Renteneintrittsalters im Senat wurde Dienstagabend erwartet.

Die zweite Kammer des Parlaments hat der Abschaffung der mit vielen Privilegien verbundenen Spezialrenten für neue Mitarbeiter von öffentlichen Unternehmen wie der RATP, der Banque de France und der Gas- und Elektrizitätsindustrie bereits zugestimmt. Der konservativ dominierte Senat hat außerdem auch grünes Licht für einen Altersindex gegeben, durch den Unternehmen gezwungen werden sollen, den Anteil älterer Arbeitnehmer an der Belegschaft offenzulegen.

Entgegen den Wünschen der Regierungspartei Renaissance hat der Senat aber auch einem Zusatzantrag der konservativen Republikaner und der Zentristen zugestimmt, der einen speziellen Arbeitsvertrag für Arbeitnehmer ab 60 Jahren vorsieht. Arbeitgeber sollen für sie weniger Sozialabgaben leisten, um höhere Gehaltsansprüche auszugleichen. Die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen ist in Frankreich mit 57,2% laut Daten der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) deutlicher niedriger als in Deutschland, wo sie 73,7% beträgt.

Die konservativen Republikaner überlegen nun, ob sie auf Artikel 38 der Regeln des Senats zurückgreifen, um die Debatte über die Rentenreform zu verkürzen. Normalerweise soll sie am 12. März enden. Damit die Reform die Zustimmung des Parlaments erhält, muss sich erst der paritätische Ausschuss über sie einig sein, bevor sie der Nationalversammlung am 16. März zur endgültigen Abstimmung vorgelegt wird. Damit das Parlament der Reform zustimmt, müssten sich die Abgeordneten der Republikaner und der Regierungspartei einigen. Sollten die Nationalversammlung und der Senat bis zum 26. März jedoch nicht endgültig über das Projekt abgestimmt haben, kann die Regierung es per Verordnung in Kraft setzen.

Selbst wenn das Parlament der Reform zustimmen sollte, dürfte sich der Zorn der Bevölkerung nicht so schnell legen, glauben Beobachter. Die Proteste dürften dann zwar auslaufen, doch die Verbitterung, dass sie nichts gebracht haben, könnte sich später in anderen Protestbewegungen niederschlagen, meint etwa Brice Teinturier, der stellvertretende Generaldirektor von Ipsos.