Geldpolitik

Türkei steuert in Währungskrise

Wieder einmal mischt sich Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in die Personalpolitik der türkischen Notenbank ein. Trotz unvermindert hoher Inflation rechnen Beobachter kommende Woche mit einer weiteren Zinssenkung.

Türkei steuert in Währungskrise

rec Frankfurt

Mit dem Rausschmiss dreier Notenbanker durch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan steuert die Türkei in die nächste Währungskrise. Im Anschluss an die offizielle Bekanntgabe der Personalentscheidungen beschleunigte sich die Talfahrt der Landeswährung Lira, sie fiel auf ein neuerliches Rekordtief. Die Ratingagentur Scope sieht die Türkei auf dem Weg in neuerliche Zahlungsbilanzprobleme, die Folgen für das Kreditrating haben könnten. Beim Zinsentscheid am kommenden Donnerstag ist nun damit zu rechnen, dass die Notenbank den Leitzins von zurzeit 18% ungeachtet hoher Inflationsraten ein weiteres Mal senkt.

Laut einer Mitteilung im Amtsblatt von Donnerstagmorgen hat Erdogan die beiden stellvertretenden Zentralbankchefs Semih Tumen und Ugur Namik Kücük sowie Abdullah Yavas, das dienstälteste Mitglied des geldpolitischen Ausschusses, entlassen. Kücük und Yavas hatten den selbsternannten „Zinsfeind“ Erdogan zuletzt verärgert, weil sie sich gegen die im vergangenen Monat beschlossene Zinssenkung gestemmt hatten, die für Beobachter angesichts anhaltend hoher Inflation überraschend kam. Taha Cakmak wurde als stellvertretender Notenbankchef bestellt, Yusuf Tuna als neues Mitglied im geldpolitischen Ausschuss. Beide gelten bei Zentralbankern und Ökonomen als unbeschriebene Blätter.

Vor wenigen Tagen hatte ein Bericht der Nachrichtenagentur Reuters Spekulationen über einen möglicherweise bevorstehenden Wechsel an der Spitze der Notenbank geschürt. Der Staatschef habe das Vertrauen in Zentralbankchef Sahap Kavcioglu verloren, berichtete Reuters am Freitag unter Verweis auf mehrere mit der Sache vertraute Personen. „Das Vertrauen des Präsidenten in den Zentralbank-Gouverneur ist beschädigt“, sagte laut Reuters einer der Insider, der Erdogan nahestehe. „Von ihm wurde eine rasche Zinssenkung erwartet. Stattdessen wurde monatelang derselbe Zinssatz beibehalten“, zitierte Reuters eine andere eingeweihte Person. „Es herrscht ein ernsthaftes Unbehagen über dieses Thema. Erdogan trifft sich nicht mehr so oft mit Kavcioglu.“ Erdogan soll enttäuscht darüber sein, dass Kavcioglu die hohe Inflation nicht im Zaum gehalten habe. Erdogans Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun bezeichnete den Reuters-Bericht im Kurznachrichtendienst Twitter als „Fake News“, ohne näher darauf einzugehen.

Erdogan macht verbal immer wieder Druck auf die Notenbank, den Leitzins herunterzuschrauben. Der Staatschef ist dafür bekannt, sich unvermittelt in die Personalpolitik der Notenbank einzumischen. In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat er dreimal den Chef der Zentralbank entlassen. Das nährt unter Beobachtern und an den Märkten Zweifel an der Unabhängigkeit der Geldpolitik in der Türkei.

Diese Sorgen unterstrich in Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen Dennis Shen, Direktor der Ratingagentur Scope: „Zinssenkungen sind vor allem deshalb ein Problem, weil Zentralbanken anderer Schwellenländer auf der ganzen Welt ihre Geldpolitik eher straffen als lockern.“ Shen äußerte Besorgnis mit Blick auf die Währungsreserven. Diese seien zwar zuletzt gestiegen, auch durch die Zuteilung frischer Reserven des Internationalen Währungsfonds. Ein neuerliches Abschmelzen würde aber die Anfälligkeit der Türkei erhöhen und könnte auch das Rating für türkische Staatsanleihen gefährden, so Shen. Von der gegenwärtigen Note „B“ mit negativem Ausblick droht dann bei Scope eine Herabstufung in den Bereich mit sehr hoher Ausfallwahrscheinlichkeit.

Auch andere Experten äußern sich skeptisch. Ökonomen des Institute of International Finance (IIF) verweisen darauf, dass die Währungsreserven der Türkei nicht vollständig die Auslandsverschuldung decken. Das sei sonst nur in der Ukraine der Fall. Die Schwellenländerexperten von Capital Economics konstatieren, dass die großen Schwellenländer überwiegend nicht anfällig dafür erscheinen, dass ausländische Anleger massenhaft Kapital abziehen. „Eine zentrale Ausnahme ist die Türkei.“