Börsennotierung

Linde verlässt die Frankfurter Börse

Das Schwergewicht Linde kündigt seinen Rückzug aus dem Dax an. Künftig ist der Konzern nur an der New Yorker Börse notiert. Union Investment interpretiert die Stärke von Linde zugleich als Schwäche der anderen im Dax.

Linde verlässt die Frankfurter Börse

jh/ck München/Frankfurt

Die Deutsche Börse wird im kommenden Jahr voraussichtlich die mit Abstand größte in Frankfurt gehandelte Aktie verlieren: Linde ist mit einer Marktkapitalisierung von 142 Mrd. Euro das am höchsten bewertete Dax-Mitglied (siehe Grafik). Der Industriegasehersteller will den Anteilseignern vorschlagen, seine Aktie künftig nur noch in New York notieren zu lassen. Mit einer Zustimmung der überwiegend angloamerikanischen Aktionäre ist zu rechnen. Der Vorstandsvorsitzende Sanjiv Lamba begründet die Entscheidung damit, dass die Beschränkungen der Börsen in Europa für das Gewicht einzelner Werte in Indizes die Bewertung der Aktie von Linde belasteten. Zudem bedeute das doppelte Listing zusätzliche Kosten und Aufwand.

„Wir können Linde dafür nicht kritisieren“, kommentiert die Fondsgesellschaft Union Investment den geplanten Rückzug. „Der Grund für das Delisting ist, dass die anderen Dax-Unternehmen nicht mehr mit Linde mithalten können“, sagte Fondsmanager Arne Rautenberg. Linde sei nach dem Zusammenschluss mit Praxair zu erfolgreich für den Dax geworden, Aktienkurs und Bewertung seien weit enteilt. „Der Shareholder Value steht hier offensichtlich viel stärker im Fokus als bei den anderen Dax-Unternehmen.“

Diese sollten nach Rautenbergs Ansicht den Rückzug von Linde als Weckruf verstehen, da sie „am globalen Kapitalmarkt ins Hintertreffen geraten“. Daniela Bergdolt, die Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, sagte: „Das war zu erwarten und ist der Schlusspunkt einer langen Entwicklung.“ Der Zusammenschluss von Praxair und Linde war nach ihrer Meinung von Anfang an eine Übernahme des deutschen Konzerns und keine Fusion unter Gleichen. „Erklärungen, stolz auf die Geschichte des Unternehmens Linde zu sein, waren nie glaubwürdig“, meint sie. Im Herbst 2018 war der Zusammenschluss des US-amerikanischen und des deutschen Unternehmens vollzogen worden.

In Frankfurt stört sich Linde vor allem an der im Indexregelwerk der Deutschen Börse vorgesehenen Kappungsgrenze. Demnach ist das Gewicht eines Einzelwerts im Dax auf 10% begrenzt. Das Unternehmen beklagt, das habe einen negativen Effekt auf die Performance seiner Aktie. Viermal im Jahr findet eine Indexverkettung statt, bei der die Gewichtungen neu berechnet werden. Liegt das Gewicht eines Wertes über 10%, wird, so der Indexleitfaden der Deutschen Börse, „die Anzahl der Aktien des betreffenden Unternehmens so weit reduziert, bis das Gewicht unter der Kappungsgrenze liegt“. In der Folge müssen indexreplizierende Fonds Aktien des betroffenen Unternehmens veräußern.

Laut Linde hat ihre Aktie in den Jahren von 2019 bis 2021 in sämtlichen Verkettungsphasen der sieben Quartale, in denen ihr Gewicht unter 10% lag, besser abgeschnitten als der Dax. In vier der fünf Quartale, in denen das Gewicht 10% übertraf, hat der Wert während der Verkettung schwächer abgeschnitten als der Dax. Abhilfe hätte eine Anhebung der Gewichtungsobergrenze auf 15% schaffen können, die die Deutsche Börse im Frühjahr vorgeschlagen hat, die aber von Investoren abgelehnt wurde.

Die Linde-Aktie büßte am Dienstag 3,5% an Wert ein und war damit der zweitschwächste Titel im Dax, der 0,9% auf 13053 Zähler zulegte.

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