Altersvorsorge

Aktienrente steht auf wackeligen Füßen

Wer aus den Versprechen der Ampel-Koalition einer Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine neue Aktienrente schließt, könnte bitter enttäuscht werden.

Aktienrente steht auf wackeligen Füßen

Von Angela Wefers, Berlin

Einen Kapitalstock von 10 Mrd. Euro will die neue Ampel-Koalition mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt noch 2022 in der Deutschen Rentenversicherung aufbauen. „Zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und -beitragssatz soll der Einstieg in eine teilweise kapitalgedeckte Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgen“, schreibt die Bundesregierung in ihrem frisch vorgelegten Jahreswirtschaftsbericht. So steht es auch schon im Koalitionsvertrag.

Beim Schlüsselwort „kapitalgedeckt“ schlägt das Herz so manches Finanzmarktakteurs höher. Tatsächlich könnte das Ergebnis aber ernüchternd sein. Wer auf Elemente einer kapitalmarktbasierten Altersvorsorge hofft, wie sie die FDP in ihrem Wahlprogramm mit der Aktienrente angepriesen hat, könnte bitter enttäuscht werden. Die genaue Lektüre des Koalitionsvertrags deutete auf eine andere Lösung und lässt viele Fragen offen. Dies wurde jüngst bei einem Webinar der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) zur Aktienrente deutlich.

Auf der Agenda der Bundesregierung steht ein neuer Anlauf zur Kapitaldeckung bei der Altersvorsorge, nachdem sich die Riester-Rente als Element der Kapitaldeckung in der Altersvorsorge als Flop erwiesen hat. Die permanente Garantie der gezahlten Raten kostet Rendite und ist für Bürger wie für Anbieter unattraktiv. Ein langfristig auskömmliches Rentenniveau bei einer tragbaren Beitragshöhe erfordert Reformen. Das ist in der alternden Gesellschaft schon lang klar. Die neue Bundesregierung will den Status quo erhalten: Bis 2025 – zum Ende der Legislaturperiode – will sie das Mindestrentenniveau von 48% „dauerhaft sichern“ und den Beitragssatz nicht über 20% steigen lassen. Nach diesem Datum würden ohne weiteres Zutun die gesetzliche Haltelinie von mindestens 43% Rentenniveau und höchstens 22% Beitragssatz gelten.

Reformen erforderlich

Die Rentenexperten Jochen Pimpertz und Ruth Maria Schüler vom Forschungsinstitut IW Köln zeigen in einer Simulation, dass die dauerhafte Festschreibung des Sicherungsniveaus von 48% zu einem deutlich steileren Anstieg das Beitragssatzes führt als unter Status-quo-Bedingungen, also ohne Reformen (siehe Grafik). Demnach läge der notwendige Beitragssatz 2035 bereits bei 22,3% und damit um 0,6 Punkte über dem Niveau, das unter Status quo bei einem Sicherungsniveau von 46,3% erforderlich wäre, heißt es in der Studie. 2050 müsste der Beitragssatz 23,8% statt 22,7% betragen.

Die FDP-Bundestagsfraktion hatte zur Rettung der Altersvorsorge vor der Bundestagswahl die gesetzliche Aktienrente entwickelt. Kurz gesagt, soll dafür ein kleiner Teil des gesetzlichen Rentenbeitrags abgezweigt werden und in einen unabhängig verwalteten Fonds fließen, der in Aktien anlegt. Intention der Liberalen ist es – nach schwedischem Vorbild –, „echtes Eigentum“ für Beitragszahler zu schaffen. Die abgezweigten Beiträge würden allerdings der Rentenkasse für die heutigen Rentner fehlen und müssten daher aus dem Bundeshaushalts kommen.

Der Wirtschaftswissenschaftler Martin Werding hat Zweifel, dass dieses Modell realisiert wird. „Die Aktienrente der FDP-Bundestagsfraktion hat sich im Koalitionsvertrag leider nur sehr schwach niedergeschlagen“, sagte er. Er hatte für die FDP das Modell der Aktienrente begutachtet. Im Koalitionsvertrag habe sich das Thema „verzweigt“: zum einen in die Idee einer Teilkapitaldeckung in der ersten, also der gesetzlichen Säule der Altersvorsorge, zum anderen dahin, eine verbindlichere private und aktienbasierte Vorsorge zu schaffen. Danach will die Ampel „einen öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit ebenso prüfen wie die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als bei bisherigen Produkten der Riester-Rente“. Dies ist aber nur als Prüfauftrag formuliert. Auch für den ersten Teil der Kapitaldeckung ist Werding pessimistisch: „Der Plan steht auf relativ wackligen Füßen.“ Ein Betrag von 10 Mrd. Euro werde in der gesetzlichen Rentenversicherung schnell untergehen. Dies entspricht Rentenausgaben von zehn Tagen. Pimpertz rechnete vor, dass der Kapitalstock den Beitragsanstieg kaum stabilisieren kann. Selbst bei einer optimistisch geschätzten Rendite von 5% brächte dies nur 500 Mill. Euro. Ein Beitragspunkt entspricht rund 16,2 Mrd. Euro. Ab wann und für wen diese Mittel eingesetzt werden dürfen, sei zudem völlig offen, stellte Werding fest.

Nur verschiedene Ideen

Auch für Reinhold Thiede, Leiter des Geschäftsbereichs Forschung und Entwicklung der Deutschen Rentenversicherung Bund, läuft der Koalitionsvertrag nicht auf eine individuelle Aktienrente zu. Der Begriff tauche dort nicht einmal auf. Bei einer Aktienrente müssten individuelle Konten angelegt werden, aus denen – je nach Rendite – Leistungen für den Einzelnen entspringen. Sichtbar seien nur „verschiedene Ideen und Ansätze, wie man auf Aktienanlagen basierte Finanzierungen in die Alterssicherung bringt“ – in die gesetzliche, die betriebliche und private Säule der Alterssicherung.

Der Fonds für die gesetzliche Rente muss mit dem Haushalt 2022 beschlossen werden. Noch im März tagt dazu das Kabinett. Dann dürfte klarer sein, wie der Kapitalmarkt in die gesetzliche Rente einzieht.

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