KommentarHandelsstreit

Auch Brüssel hat Folterinstrumente

Die EU sollte schnell konkretisieren, wie sie im Falle einer Nicht-Einigung mit dem Weißen Haus die US-Wirtschaft unter Stress setzen kann.

Auch Brüssel hat Folterinstrumente

Handelsstreit

Auch Brüssel hat Folterinstrumente

Von Detlef Fechtner

EU-Kommissar Maroš Šefčovič hat völlig Recht: Zölle von 30% oder noch mehr kommen faktisch einem Handelsverbot gleich. Das wäre das Ende des „Handels, so wie wir ihn kannten“. Denn allein die Verwerfungen in der transatlantischen Lieferkette hätten dramatische Auswirkungen.

Vor dem Hintergrund dieses immensen Risikos für den Wohlstand in Europa – und in den USA! – ist zwar nachvollziehbar, dass die EU-Kommission jede Eskalation des Streits zwischen Brüssel und Washington vermeiden will. Trotzdem hätte die EU am Montag die erste Stufe der Gegenmaßnahmen zünden sollen. Denn tatsächlich wirft sie mit der erneuten Verschiebung des Inkrafttretens der Gegenzölle die Frage auf, ob sie tatsächlich jemals zu einer härteren Gangart bereit sein wird – oder doch immer wieder einknickt, aus Angst, letztlich doch am kürzeren Hebel zu sitzen.

Wie dem auch sei: Die EU hat sich anders entschieden und setzt auf Fortsetzung der Verhandlungen und Vertagung der ersten Stufe der Gegenzölle. Umso mehr sollte sie sich aber beeilen, zu präzisieren, welche Maßnahmen sie noch im Köcher hat, falls die Hoffnungen auf eine Verständigung erneut von den USA enttäuscht werden. Sie muss dringend klarstellen, wie Stufe zwei und drei aussehen würden. Dass die EU-Kommission am Montag den Ministern die erste Liste für die zweite Runde mit auf den Heimweg gegeben hat, war überfällig.

Die EU hat ohnehin mit dem strukturellen Nachteil zu kämpfen, dass die USA deutlich schneller agieren und reagieren können als sie. Donald Trump kann Briefe in wenigen Sekunden unterschreiben, die EU muss sich erst abstimmen. Dafür gibt es gute Gründe, schließlich ist die EU eine Union, die auf Verständigung fußt, kein Einheitsstaat. Aber gerade vor diesem Hintergrund ist es zwingend erforderlich, frühzeitig Vorratsbeschlüsse zu beschließen für mögliche Falls-und-wenn-Situationen. Denn das hätte auch mehr abschreckende Wirkung als eine bloß vage Ansage.

Der erste Teil der Folter ist bekanntlich das Vorzeigen der Folterinstrumente. Die EU sollte daher – parallel zu den fortlaufenden Bemühungen um einen Deal – möglichst schnell konkretisieren, wie sie im Falle einer Nicht-Einigung die US-Wirtschaft unter Stress setzen kann. Beispielsweise hohe Exportabgaben auf Metallschrott oder Getränkezusätze, die relativ zügig Produktionen in den USA stilllegen würden. Vielleicht versteht dann selbst der US-Präsident, dass es sich lohnt, erwachsen mit der EU zu verhandeln.

Die EU sollte schnell konkretisieren, wie sie bei Misslingen eines Deals die US-Wirtschaft unter Stress setzen kann.

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