Das Raumschiff hebt nur mühsam ab
Notiert in Berlin
Das Raumschiff hebt nur mühsam ab
Von Angela Wefers
Der Koloss aus dem Weltraumzeitalter ist nicht zu übersehen. Eingeklemmt zwischen dem Berliner Messegelände in Charlottenburg und dem Funkturm-Dreieck des Stadtrings steht das Internationale Congress Centrum ICC – gerade so, als sei ein Raumschiff mitten in der Stadt gelandet. Das seit Jahren verwaiste und inzwischen heruntergekommene Gebäude soll wieder zu neuem Leben erwachen. Aber wie so vieles in der Hauptstadt kommt das Projekt nur mühsam voran.
Preisgekröntes Juwel der High-Tech-Architektur
Dabei war das preisgekrönte ICC einmal ein Juwel seiner Zeit im Stil der High-Tech-Architektur. Die Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte bauten vier Jahre daran. Eröffnet 1979, entsprach es allerdings von Beginn an nicht dem durchgängigen Geschmack im beschaulichen Berliner Westend. Die silbergraue Aluminiumfassade ummantelt eines der größten Kongresshäuser der Welt – drunter tut es der Hauptstädter ja selten. Von innen mutet es wie eine Mischung aus Abflughalle und Warenhaus an – mit unendlich vielen Rolltreppen, die nur denjenigen zum Ziel führten, der gute Ortskenntnisse hatte. Das ICC löste die damals viel zu klein gewordene Kongresshalle ab, von den Berlinern aufgrund ihrer kurvenreichen Konstruktion beziehungsreich „Schwangere Auster“ genannt.

Groß und teuer
Das ICC gehörte nicht nur zu den größten, sondern auch zu den teuersten Gebäuden seiner Zeit. Es kostete eine knappe Milliarde D-Mark – umgerechnet auf die heutige Kaufkraft dürfte ein noch etwas höherer Betrag in Euro anzusetzen sein. Das Congress Centrum erlebte aber auch glanzvolle Stunden. Unternehmen wie Axel Springer oder Schering hielten dort ihre Hauptversammlungen ab, ebenso wie nach dem Fall der Mauer Firmen wie Daimler. Von den insgesamt 80 Sälen und Räumen fasst der größte 5.000 Menschen und der kleinere bietet weitere 3.000 Plätze. Gefeiert wurde viel und auf allen Ebenen: So schwang Bundeskanzler Helmut Kohl in den 1990er Jahren dort das Tanzbein beim Berliner Presseball.

Zwischen Abriss und Sanierung
2014 schloss das ICC seine Türen endgültig. Die hohen Betriebskosten trotz überdurchschnittlich guter Auslastung führten sogar zu Abrissüberlegungen. 2019 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Seitdem läuft die Debatte über eine neue Nutzung. Der Berliner Senat treibt nun das Bieterverfahren dafür voran. Dabei dreht die Hauptstadt wieder einmal eine Extrarunde bei einem Investitionsvorhaben: Bis Ende Juli ist die Ausschreibung für Konzepte offen. Eigentlich endete die Frist dafür schon am 11. März. Doch das Land hat nach den ersten Einreichungen erkannt, dass es die Kriterien des Wettbewerbs mit Blick auf „Nachweise zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit“ wie auch zur „technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit“ der Konsortien nachschärfen muss. Denn finanzieren will Berlin die Sanierung nicht, nur einen Erbbaurechtsvertrag für 99 Jahre gewähren. Die Jury entscheidet Mitte 2026. Dann wird sich zeigen, ob das Raumschiff abhebt.
