London

Die City of London wird begehbarer

Wer in London zu Fuß unterwegs ist, wundert sich mitunter darüber, dass es sich manche Mitarbeiter der City of London nicht nehmen lassen, im privaten Fahrzeug zur Arbeit zu fahren. Der Verkehr ist mörderisch. Man ist mitunter Stunden unterwegs,...

Die City of London wird begehbarer

Wer in London zu Fuß unterwegs ist, wundert sich mitunter darüber, dass es sich manche Mitarbeiter der City of London nicht nehmen lassen, im privaten Fahrzeug zur Arbeit zu fahren. Der Verkehr ist mörderisch. Man ist mitunter Stunden unterwegs, zumal es auch noch reichlich Durchgangsverkehr gibt. Die Pandemie machte das Londoner Finanzzentrum vorübergehend zur verkehrsberuhigten Zone.

Nun ist man in der Verwaltung offenbar auf den Geschmack gekommen. Die City of London Corporation stellt jüngst ihre Pläne für die Neugestaltung der Straßen rund um Bank Station vor, den U-Bahnhof der Bank of England. Die von den Planern entworfenen Szenarien zeigen neben vielen Pflanzentrögen gut gekleidete Bürger, die auf einladenden Bänken sitzen oder auf breiten Gehwegen flanieren, während auf den Fahrwegen in erster Linie Radfahrer zu sehen sind. Davon konnte man bislang nur träumen, wenn sich die Massen rund um die Kreuzung zur Rushhour auf minimalem Raum aneinander vorbeischoben. Die Threadneedle Street soll für den Autoverkehr geschlossen und zur Fußgängerzone gemacht werden. Auch sonst soll der Auto- und Busverkehr deutlich eingeschränkt werden.

„Bank Junction hat bereits eine Transformation durchgemacht: von einer belebten und gefährlichen Kreuzung hin zu einer sichereren und angenehmeren Umgebung für alle“, sagt Alastair Moss, der Chairman des Planungsausschusses der City of London Corporation. Nun soll zwischen Bank of England, Royal Exchange und Mansion House ein „Herz der Square Mile“ entstehen, an dem man sich willkommen fühlt. Bislang war man dort nicht gezwungen, um Besucher zu werben. Vor der Pandemie arbeitete eine halbe Million Menschen im Finanzdistrikt. Die Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie wirkten sich verheerend auf die Betriebe aus, die sich auf die Deckung des Büroangestelltenbedarfs spezialisiert hatten. Kaffeehäuser, Imbisse und Herrenausstatter schlossen gleichermaßen ihre Pforten. Breitere Gehwege und ein angenehmeres Ambiente könnten dafür sorgen, dass ihr Publikum eher dazu bereit ist, aus dem Homeoffice in die City zurückzukehren. Dabei könnten sie zunehmend auf das Fahrrad zurückgreifen. Daten der Fitness-App Strava zufolge griffen die Londoner im Lockdown um ein Drittel häufiger zum Drahtesel. Und nicht nur Boris Johnson setzte während seiner Zeit als Bürgermeister auf den Ausbau des im Vergleich zu vielen anderen europäischen Städten immer noch unterentwickelten Radwegenetzes. Auch sein Nachfolger Sadiq Khan bemühte sich redlich, Radfahrern mehr Platz auf den engen Straßen der britischen Metropole zu verschaffen.

Das Zurückdrängen des Autoverkehrs findet aber nicht nur Beifall. Auch in Großbritannien gibt es Anhänger des Mottos „Freie Fahrt für freie Bürger“. Und so regte sich vielerorts heftiger Widerstand, als Lokalverwaltungen im vergangenen Jahr damit begannen „Low Traffic Neighborhoods“ (LTN) auszuweisen. Straßen wurden für den Autoverkehr geschlossen und Fußgängern und Radfahrern überlassen. Absperrungen, Poller und Kameras mit automatischer Nummernschilderkennung wachten darüber. Während die Anwohner solche Maßnahmen meist gutheißen, beschweren sich vor allem diejenigen, die gerne Abkürzungen durch Wohngebiete nutzen, um Ampeln oder bekannte Verkehrsnadelöhre zu umgehen.

„Fundamentalistische Autohasser“ hätten unter dem Deckmantel von Covid-19 ihre Chance genutzt, den Straßenverkehr so unerträglich zu machen, dass Autofahrer freiwillig das Handtuch werfen, ereiferte sich Mike Rutherford, der Mitgründer des Magazins „Auto Express“. Dabei sind verstopfte Straßen in London nun wahrlich nichts Neues. Anfang des 18. Jahrhunderts be­schrieb Daniel Defoe den Verkehr auf der Straße durch Shoreditch als „immer dichter gedrängt“. Kein Wunder, dass er Robinson Crusoe auf einer einsamen Insel ansiedelte. Der Widerstand der Petrolheads gegen die verkehrsberuhigenden Maßnahmen hielt sich in Grenzen. Einzelne Klagen gegen LTN hatten Erfolg. Doch alles in allem wird die City begehbarer und London zu einer lebenswerteren Stadt.