Notiert inBrüssel

Die verflixte letzte Meile

Die Unterhändler sind froh, aber die EU-Sprecher sind richtiggehend erleichtert, dass endlich das Joint Statement vereinbart ist. Denn den Spin-Doktoren ging zuletzt die Fantasie aus.

Die verflixte letzte Meile

Notiert in Brüssel

Die verflixte letzte Meile

Von Detlef Fechtner

Maroš Šefčovič kann man nie so recht ansehen, in welcher Gemütslage er sich befindet. Er wirkt stets ruhig, gelassen, diplomatisch. Vielleicht zeichnet die Tatsache, dass er nur schwer zu lesen ist, den EU-Kommissar ja auch gerade in seiner Rolle als Chef-Pokerspieler der EU in Handelsgesprächen aus.

Immerhin: Einiges spricht dafür, dass er froh sein dürfte, dass das EU-US-Joint-Statement nun endlich unter Dach und Fach ist. Schließlich war der Slowake zuletzt häufiger im Flieger zwischen Brüssel und Washington unterwegs als normale Arbeitspendler in der S-Bahn zwischen Hanau und Frankfurt. Der Anflug von Heiserkeit und ein latenter Hustenreiz bei der Verkündigung der Ergebnisse dokumentierten am Donnerstag, dass die vergangenen Wochen für ihn anstrengend gewesen sind.

Richtige Erleichterung war derweil beim Sprecherdienst der EU-Kommission zu spüren. Obwohl der „Spokesperson Service“ derzeit sommerbedingt nur zwei statt fünf Mal vor die Kameras tritt, ist den kommissionellen Spin-Doktoren zuletzt die Fantasie ausgegangen. Verantwortlich dafür waren zwei Gründe: Erstens, dass die Deutungen der Ergebnisse des Handschlags von Donald Trump und Ursula von der Leyen in Brüssel und Washington so unterschiedlich verliefen, dass die Kommunikatoren den schwierigen Dauerspagat zwischen Klarstellung und Diplomatie üben mussten. Und zweitens, dass die schon vor zwei Wochen aus EU-Sicht unterschriftsreife „Gemeinsame Stellungnahme“ auf sich warten ließ. „Wir haben 95% geschafft“, „wir sind unmittelbar vor dem Closing“, „die letzte Meile ist immer die schwerste“ – die Verlautbarungen im Presseraum des Berlaymont erinnerten immer mehr an Parolen, wie sie sonst nur auf Kalenderblatt-Rückseiten, in Poesiealben oder bei Pressekonferenzen von Bundesligatrainern üblich sind.

Tabubruch aus Verzweiflung

Zwischendurch wussten sich die professionellen Sprachrohre der EU-Kommission nur noch damit zu helfen, dass sie ein Tabu brachen – nämlich über einzelne Verhandlungsetappen zu berichten. Etwa, dass die Amerikaner nun eine neue Textversion an die Europäer gesendet haben, quasi als Beleg für (Trippel-)Fortschritte. Der Rückgriff auf derlei prozedurale Entwicklungen rächte sich bereits Stunden später, wenn die Sprecher dann mit Spekulationen konfrontiert wurden, dass wohl die USA etwas hinzugefügt hätten, was der EU nicht schmecke. In anderen Worten: Für PR-Profis waren die vergangenen Tage ein augenscheinlicher Beleg für die alte Weisheit, dass man am besten nichts sagt, wenn nichts zu sagen ist – weil sonst alles, was unnötig gesagt wird, gegen einen verwendet werden kann.

Die schlechte Nachricht für den Sprecherdienst: Šefčovič selbst hat – durchaus zu Recht – gesagt: Das Joint Statement ist nicht das Ende der Verhandlungen, sondern der Anfang. Die Frage, was es eigentlich Neues gebe in Sachen transatlantischer Handel, wird daher auch im nächsten Pressebriefing gestellt werden. Nach jeder letzten Meile gibt es noch eine allerletzte.