Diese Pleite kommt zur rechten Zeit
Diese Pleite kommt zur rechten Zeit
First Brands und UBS
Diese Pleite kommt zur rechten Zeit
Von Dani Zulauf
First Brands ist der Fall, der nötig war, damit die Schweiz die Diskussion um die verschärften Kapitalvorschriften der UBS endlich richtig führen kann.
Noch liegt Nebel über der Milliardenpleite des Autoersatzteillieferanten First Brands. Doch zwei Wochen nachdem das hoch verschuldete Unternehmen seine Zahlungsunfähigkeit eingestehen musste, dringen beklemmende Informationen an die Öffentlichkeit. Vergangene Woche hat der New Yorker Lieferkettenfinanzierer Raistone auf gerichtlichem Weg eine Untersuchung über den Verbleib von 2,3 Mrd. Dollar verlangt, die in der Vermögensmasse von First Brands „einfach verschwunden“ seien.
Raistone ist eine Firma, die klammen Unternehmen kurzfristiges Kapital vermittelt. Sie betreibt ein Geschäft, das man in unseren Breitengraden „Factoring“ nennt. Firmen verkaufen ihre in Rechnung gestellten Forderungen an einen spezialisierten Finanzierer und beschaffen sich so kurzfristig Liquidität, um Löhne zu zahlen und anderen dringenden Verpflichtungen nachzukommen. Nach der Finanzkrise hat man dieses typische KMU-Geschäft auch in den Finanzkapitalen entdeckt. Es wurde in raffinierter klingende Bezeichnungen wie Supply-Chain-Finance oder Working-Capital-Finance umbenannt und geleveraged, das heißt auf Großunternehmen wie First Brands angewandt und „demokratisiert“, sprich zu einer „alternativen“ Anlagemöglichkeit für breite Investorenkreise gemacht.
Verdacht auf Luftbuchungen
Lieferkettenfinanzierer wie Raistone begnügen sich bei „modernem“ Factoring mit Vermittlungsprovisionen. Sie überlassen die Renditen (von denen es heißt, dass sie im Fall von First Brands bis zu 30% betragen hätten) wie auch die Risiken den Publikumsanlegern. Damit das Krümel-Geschäft doch ein Geschäft wird, muss viel Umsatz her. Es heißt, Raistone habe 80% davon mit First Brands erzielt. Nun gibt es den Verdacht, dass First Brands ihre Kundenforderungen doppelt verpfändet hat. Die vermissten 2,3 Mrd. Dollar wären dann einfach Luft gewesen – oder frei erfundener Umsatz.
Man kann die First-Brands-Pleite als Einzelfall sehen, obschon es mit der seit 2021 insolventen Greensill einen Blueprint gab. Aber die Märkte zweifeln. In der vergangenen Woche sind die Aktien der Jefferies Financial Group an der New Yorker Börse um 19% abgestürzt. Jefferies ist stark im Geschäft mit alternativen Investments engagiert. Fondskunden haben rund 550 Mill. Dollar mit Lieferkettenfinanzierungen bei First Brands im Feuer. Jefferies selbst investierte etwa 160 Mill. Dollar. Das ist kein Weltuntergang für einen etablierten Wall-Street-Player. Trotzdem ist dessen Börsenwert innerhalb von Tagen um 3 Mrd. auf 10 Mrd. Dollar abgeschmolzen.
Kunden ziehen Gelder ab
Jefferies sieht sich mit einem Rückzug von Kundengeldern konfrontiert. Blackrock, der staatliche Texas Treasury Safekeeping Trust und zuletzt auch Morgan Stanley hätten bereits Rückzahlungen von der Tochter Point Bonita Capital verlangt, die rund ein Viertel des Anlagevermögens von rund 3 Mrd. Dollar in First-Brands-Kredite investiert hat. Die Vorgänge lesen sich wie das Drehbuch zu einem Bank Run.
Auch Assetmanager, die das Risiko ihrer Anlagen nicht selber tragen, sind offensichtlich großen Gefahren ausgesetzt, wenn die Reputation Schaden nimmt. Die UBS betreut in den USA ein Assetmanagement mit mehreren Hundert Milliarden Dollar an Investments. Fünf Fonds haben insgesamt 515 Mill. Dollar bei First Brands im Feuer. Das mag wenig sein für UBS, aber die Bank will im US-Markt stark wachsen und profitabler werden. Es wird für sie nicht einfacher werden, den dortigen Kunden die Vorzüge des eigenen Angebots gegenüber der lokalen Konkurrenz plausibel zu machen.
Schärfere Kapitalvorschriften
In der Schweiz kämpft UBS verbissen gegen eine Verschärfung der Kapitalvorschriften. Die Regierung will, dass die Expansion in ausländischen Märkten wie den USA für UBS markant teurer wird. Es soll nie mehr dazu kommen, dass Steuerzahler in der Schweiz Risiken mittragen müssen, die ein ehrgeiziges Management in weiter Ferne eingegangen ist, so das Ziel des Gesetzgebers. First Brands ist offenbar der Fall, der nötig war, damit diese Regulierungsdiskussion endlich richtig geführt werden kann.