Der Verbraucher spielt nicht mit
China-Konjunktur
Der Verbraucher spielt nicht mit
Von Norbert Hellmann
Das von Peking so sorgsam gepflegte Bild von Chinas stetiger Wirtschaftsbeschleunigung in diesem Jahr bekommt die nächsten Kratzer. Der jüngste Konjunkturdatenkranz zeigt, wie ungleichgewichtig die Zugkräfte verteilt sind. Massiv angekurbelte Investitionen in staatlich geförderten Industriesektoren und erhöhte Nachfrage für Exportwaren erlauben ein zünftiges Wachstumstempo im verarbeitenden Gewerbe. Demgegenüber befindet man sich an der Konsumfront auf einer Holperstrecke, die kein Ende zu nehmen scheint.
Produktion hui, Konsum pfui
Die neuen Daten für April bringen es besonders deutlich zum Vorschein. Die Industrieproduktion legt mit 6,7% Wachstum ein Tempo vor, mit dem man sich auch vor der Pandemie in China sehen lassen konnte. Die schleppende Binnennachfrage lässt jedoch keine Freude aufkommen. Zuletzt sind die Einzelhandelsumsätze als wichtigster Indikator für die Konsumentwicklung um 2,3% gegenüber dem Vorjahresmonat vorangekommen. Das ist für chinesische Verhältnisse unerhört lethargisch.
Die Einzelhandelsumsätze sind eine nominale Größe. Da Chinas Verbraucherpreisanstieg mit zuletzt 0,3% nahe an der Deflationsgrenze vor sich hindümpelte, ist das reale Wachstum der Konsumausgaben ähnlich hoch. Vor der Pandemie im Jahr 2019 kam man auf ein nominales Wachstum der Einzelhandelsumsätze von rund 8%, was inflationsbereinigt immer noch einen realen Zuwachs von etwa 6% bedeutete.
Achtung Déjà-vu
Peking ist es im ersten Quartal gelungen, mit investiver Ankurbelung die Optik von einem angemessenen Wirtschaftswachstum oberhalb der 5-Prozent-Marke zu wahren. Das reicht nicht aus, um sich auf die Schulter klopfen zu können. Es werden Erinnerungen an das vergangene Jahr wach, als China nach dem Ausstieg aus Pandemie-Restriktionen vor blühenden Konjunkturwiesen zu stehen schien.
Im ersten Quartal 2023 kam man gut in Schwung. Ab April sah man immer neue Dämpfer, die vor allem vom schwachen Konsumtrend herrührten. In diesem Jahr droht ein unangenehmes Déjà-vu.