Steuerschlupflöcher

Geldwäsche-Paradiese

Viele Banker und andere Fi­nanz­platz­akteure in der Schweiz sehen sich in­zwi­schen gern als Opfer einer „absolut schamlosen, frechen und imperialistischen amerikanischen Doppelmoral“.

Geldwäsche-Paradiese

Eine wirkungsvolle Bekämpfung sogenannter „schädlicher Steuerpraktiken“ kann es nur geben, wenn das Ziel auf globaler Ebene mehrheitsfähig ist. Erfüllt ist diese Bedingung erst seit der Finanzkrise. Die Steuermilliarden, welche die Regierungen der meisten Industrieländer zur Rettung privater Banken und zur Stützung des Finanzsystems einsetzen mussten, haben die Finanzparadiese in aller Welt in ihrem Fundament erschüttert. Ein staatlich subventionierter Bankdatenklau ist seither politisch ebenso akzeptiert wie die privaten Ermittlungen, die zur Enthüllung vertraulicher In­formationen über mutmaßlich dubiose, moralisch verwerfliche oder gar offenkundig kriminelle Usancen im Geschäftsalltag in Steuer­oasen führen.

Die „Pandora Papers“ sind nur das jüngste Ergebnis des weit verzweigten Netzwerk-Systems von Journalisten und Rechercheuren aus Nichtregierungsorganisationen, welches die verschlungenen Wege offenlegt, auf denen hochrangige Politiker und Vertreter der gesellschaftlichen Elite nicht nur aus autokratischen Ländern ihre Finanzflüsse verschleiern. Obschon die globale Treibjagd nach Steuerflüchtlingen und Geldwäschern erst vor etwa einem Jahrzehnt eröffnet wurde, scheint sie doch schon beträchtliche Erfolge gebracht zu haben. Eine vergangene Woche vom Beratungsunternehmen Deloitte Schweiz veröffentlichte Studie behauptet jedenfalls, dass der sogenannte Offshore-Markt für private Finanzvermögen, die außerhalb des Domizillandes ihrer Eigentümer verwaltet werden, im Lauf der vergangenen zehn Jahre stark an Be­deutung verloren habe. Gemäß der Studie werden derzeit noch gut 11 Bill. Dollar oder etwa 5% des globalen privaten Finanzvermögens offshore gehalten und betreut. Vor zehn Jahren seien es noch 9% gewesen. Wer annimmt, dass schmutzige oder unversteuerte Gelder in der Regel ins Ausland geschafft werden, um ihren Ursprung zu verschleiern, hat allen Grund, diese Statistik positiv zu werten.

Doch solche Zahlen sind mit Bedacht zu genießen. Steueroasen, Finanzparadiese oder auch prima vista weniger verdächtige Zentren, in denen Vermögensverwaltung für eine internationale Kundschaft angeboten wird, sind weniger transparent als lokale Finanzplätze. Ein gesundes Maß an Skepsis drängt sich deshalb auch gegenüber der Deloitte-Statistik auf. Diese zeigt die USA mit einem verwalteten Vermögen von 2 Bill. Dollar als drittgrößten Offshore-Finanzplatz der Welt. An der Spitze steht seit vielen Jahren die Schweiz mit über 2,5 Bill. und dahinter Großbritannien mit 2,1 Bill. Dollar. Viele Beobachter vermuten jedoch, dass sich die USA im vergangenen Jahrzehnt still und leise an die Spitze dieser Rangliste geschoben haben. Zuverlässig belegbar ist auch diese Behauptung nicht. Plausibel erscheint sie aber insofern, als ein Großteil ausländischer Vermögen in den USA auf Rechtsträger wie Trusts oder andere Gesellschaftsformen lautet. Diese fließen als inländische Vermögen beziehungsweise als Onshore-Gelder in die Statistik ein.

Eindeutig belegt wird durch die Deloitte-Statistik aber immerhin die Tatsache, dass der amerikanische Offshore-Markt seit einigen Jahren das weltweit mit Abstand höchste Vermögenswachstum aufweist. Der US-Markt wächst mit 8,6% pro Jahr fast doppelt so schnell wie der globale Markt. Gerade in der Schweiz, wo das Offshore-Geschäft zwar immer noch respektable Wachstumsraten aufweist, inzwischen aber deutlich weniger prosperiert als in den USA, herrscht in der Finanzbranche allenthalben Wut und Verbitterung über diesen Erfolg Amerikas.

Während die Eidgenossen seit 2017 den von der OECD im Auftrag der G20-Staaten entwickelten automatischen Informationsaustausch in Steuersachen mit über 100 Ländern praktizieren und ihr Bankgeheimnis aufgeben mussten, verweigern die USA die Gegenseitigkeit des In­formationsaustauschs. Der Schweizer Fi­nanz­platz, der vielen Steuerflüchtlingen aus al­ler Welt und damit auch aus Amerika Unterschlupf gewährte, hatte die amerikanische Keule nach der Finanzkrise mit aller Härte zu spüren be­kommen. Viele Banker und andere Fi­nanz­platz­akteure in der Schweiz sehen sich in­zwi­schen gern als Opfer einer „absolut schamlosen, frechen und imperialistischen amerikanischen Doppelmoral“. Diese Sicht ist in­sofern grob verzerrt, als sie das eigene und langjährige Fehlverhalten der Schweizer Fi­nanzbranche ausblendet. Um­gekehrt ist aber auch der Gedanke er­nüchternd, dass der Kampf gegen Steueroasen und obskure Finanzparadiese nur vordergründig erfolgreich war. Geldwäscher und Steuerbetrüger haben wenig zu befürchten, solange sie im mächtigsten Land der Welt willkommen sind. (Börsen-Zeitung,

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