KommentarAstraZenecas Milliardeninvestment

Großes Wagnis von Big Pharma

Die Pharmaindustrie ist zum Hotspot im Zollkrieg geworden. Mit zweistelligen Milliardeninvestitionen in den USA lehnen sich die Branchenriesen stark auf eine Seite. Das kann schiefgehen.

Großes Wagnis von Big Pharma

Handelskonflikt

Großes Wagnis von Big Pharma

Von Heidi Rohde

Pharma ist zum Zoll-Zankapfel geworden. Mit Milliarden­investitionen in den USA lehnen sich die Branchenriesen stark auf eine Seite. Das kann schiefgehen.

Im munteren Zahlenspiel des Zollkonflikts steuert die Pharmabranche schwer kontrollierbare Risiken zu. 200% auf Importe werden von der US-Regierung aufgerufen, um eine Neuordnung des lukrativen Riesenmarktes zu erzwingen, die nicht länger vor allem Forschung, sondern verstärkt auch Produktion in den Vereinigten Staaten allokieren soll. Die Drohung hat besonders bei Europas Branchenriesen einen beispiellosen Herdentrieb und scheinbaren Wettbewerb um Milliardeninvestitionen ausgelöst; denn die Unternehmen fürchten um ihre Pfründe im mit Abstand größten Pharmamarkt der Welt, der zuletzt rund 635 Mrd. Dollar schwer war und damit rund sechs Mal so groß wie die Nummer zwei China.

Der schwedisch-britische Konzern AstraZeneca markiert mit zusätzlich geplanten Ausgaben von 50 Mrd. Dollar den vorläufigen Höhepunkt für den Kapazitätsausbau in den USA, nachdem das Unternehmen bereits im Herbst erste Investmentschritte dort angekündigt hatte. Vor kurzem hatten bereits die Schweizer Giganten Novartis und Roche sowie die französische Sanofi zweistellige Milliardenbeträge für ihre US-Aktivitäten aufgerufen.

Lieferengpässe sind ein Problem

Indes fließen die Mittel nicht unbedingt ausschließlich in die Produktion von Medikamenten. Selbst wenn die Kapazitäten in den USA insgesamt ausgeweitet werden sollten, bleiben Lieferengpässe auf Sicht ein Problem. Denn das Gros aller Wirkstoffe wird in der Volksrepublik hergestellt, wo 40% aller Wirkstoffhersteller sitzen. Eine wachsende Produktion von Medikamenten auf Basis von – womöglich mit Zöllen verteuerten – Vorprodukten löst für die USA in der Pharmabranche auf kurze Sicht weder das Problem der hohen Abhängigkeit, noch kann sie zu deutlich sinkenden Preisen führen.

Das Schicksal von Big Tech

Für die Pharmariesen besteht allerdings das Risiko, dass die US-Regierung ihre wiederholt angedeutete Preisadministration bei teuren innovativen Medikamenten teilweise wahrmacht, wenn sie feststellt, dass eine Verbilligung nicht eintritt. Sie säßen dann nicht nur auf hohen Forschungskosten, sondern noch dazu erhöhten Produktionskapazitäten; die Renditen kämen unter Druck. Noch weniger rentabel erscheint ein lokaler Ausbau in der Herstellung von klassischen Arzneien. Da träfe Big Pharma das gleiche Problem wie Big Tech an anderer Stelle: Diese Artikel können in den USA nie wettbewerbsfähig produziert werden.