Handelsflaute bremst Börse
Wenn die Deutsche Börse in der kommenden Woche ihre Zahlen zum zweiten Quartal vorlegt, wird sich auf den ersten Blick ein sehr guter Eindruck einstellen. Laut dem Consensus Report des Marktbetreibers gehen Analysten im Durchschnitt davon aus, dass sich der Erlös und das berichtete Ebitda im Vergleich zum Vorjahr um 13% beziehungsweise um rund 14% auf 879 Mill. beziehungsweise 504 Mill. Euro erhöht haben. Unter der Oberfläche zeigt sich jedoch, dass das Zahlenwerk differenziert betrachtet werden muss, so wie dies schon bei den Zahlen für die ersten drei Monate der Fall gewesen ist.
Für das erste Quartal wies das Unternehmen einen Rückgang von Erlös und Ebitda um 7% und 12% auf 855 Mill. und 521 Mill. Euro aus. Der Rückgang war auf die rekordhohen Handelsaktivitäten des Vorjahres zurückzuführen, die mit dem Corona-Crash einhergingen und auch die Ergebnisse des Unternehmens auf Rekordhöhe trieben, sowie auf den abträglichen Effekt der Leitzinssenkung der US-Notenbank Fed auf die Zinseinnahmen des Bankgeschäfts.
Der Haken an dem Wachstum des zweiten Quartals ist, dass dieses vor allem akquisitionsgetrieben ist. Die Deutsche Börse hat überraschend schnell im ersten Quartal die Übernahme einer Mehrheit am Stimmrechtsberater ISS abgeschlossen. Sein Erlösbeitrag im zweiten Quartal wird vom Konsens mit 61 Mill. Euro veranschlagt. Rechnet man diesen Beitrag heraus, bleibt nur noch ein Wachstum von rund 5% übrig. Hinzu kommt die UBS Fondcenter, an der die Deutsche Börse im September 2020 eine Mehrheit von 51% erworben hat und die sie, früher als erwartet, zum 1. Juni nun ganz übernommen hat. Für das Fondsservice-Geschäft rechnet der Konsens mit einem im Vorjahresvergleich mehr als verdoppelten Erlös von 109 Mill. Euro. Kurzum: Rein organisch betrachtet ist die Geschäftsentwicklung des zweiten Quartals also nicht gerade prickelnd.
Letztlich haben sich die Hoffnungen zerschlagen, dass sich die zyklischen Gegenwinde für das Unternehmen im zweiten Quartal abschwächen würden. Tatsächlich ist die Deutsche Börse von einer Flaute im Handelsgeschäft getroffen worden. Im wichtigen Aktienindexkontraktehandel ist das Volumen des ersten Halbjahres nicht nur unter das Niveau des Ausnahmejahres 2020 gesunken. Es lag auch deutlich unterhalb des Jahres 2019 und erreichte sogar den tiefsten Stand seit dem Jahr 2015. Auch das Kassamarktgeschäft entwickelte sich schwach. Für die Sparten Eurex und Xetra geht der Konsens für das zweite Quartal von Erlösrückgängen um rund 9% und 6,5% auf 248 Mill. und 88 Mill. Euro aus.
Nun setzt die Mittelfriststrategie „Compass 2023“ der Deutschen Börse, die für die Zeit von 2019 bis 2023 ein durchschnittliches jährliches Wachstum des Erlöses und des berichteten Ebitda von 10% vorsieht, aber auch nicht an den zyklischen Komponenten Zinsen und Handelsvolumen an, die sie selbst nicht beeinflussen kann. Jeweils 5% Wachstum sollen aus strukturellen Wachstumsgeschäftsfeldern und Akquisitionen kommen. Gerade bei Letzteren macht das Unternehmen große Fortschritte. Nicht nur hat es in diesem Jahr die Akquisitionen von UBS Fondcenter und ISS sehr schnell über die Bühne gebracht. Hinzu kommt der gegen Ende Juni verkündete Erwerb einer Mehrheit am Schweizer Fintech Crypto Finance, mit dem der Bereich digitale Assets ausgebaut wird. Die Liste der M&A-Erfolge des Unternehmens ist mittlerweile recht lang und dürfte in absehbarer Zeit noch länger werden. Sogar Transaktionen in Größenordnungen von 5 Mrd. Euro sind denkbar, wie das Unternehmen erklärt hat, auch wenn dann besonders gute Erfolgsvoraussetzungen vorliegen müssten.
Aber auch die zyklischen Komponenten werden positive Effekte auf die Wachstumsraten haben. Kurzfristig wird dies schon dadurch geschehen, dass die Ausgangsbasis nach den Zinseinnahmen ab dem dritten Quartal auch für die Handelsaktivitäten spürbar niedriger wird. Nach der Handelsflaute des zweiten Quartals könnte überdies die Talsohle durchschritten sein, so dass künftig, wenn es an den Märkten wieder etwas unruhiger wird, wieder positive Wachstumsbeiträge auch von dieser Seite kommen werden. Die Zinseinnahmen haben definitiv ihren Boden erreicht, und auch hier kann es – wann auch immer die amerikanische Zentralbank dazu übergehen wird, an der Zinsschraube zu drehen, – auf Sicht nur nach oben gehen. (Börsen-Zeitung, 23.7.2021)