Start-up-Förderung

Hessen will mit H_Ventures bei Neugründungen aufholen

Das Land Hessen hat mit Blick auf Start-up-Gründungen Aufholbedarf. Mit einem neuen Förderprogramm sollen Neugründer Unternehmen erschaffen, die mit Daten arbeiten und maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI) einsetzen.

Hessen will mit H_Ventures bei Neugründungen aufholen

Von Franz Công Bùi, Frankfurt

Das Land Hessen hat mit Blick auf Start-up-Gründungen Aufholbedarf. Einer Erhebung von „Startupdetector“ zufolge rangierte das Bundesland im Jahr 2021 im Bundesvergleich auf dem sechsten Platz – mit 219 Neugründungen. Das ist nicht einmal ein Drittel der Zahl von Firmengründungen in Berlin (siehe Grafik). Laut „Startup Genome“, einer global agierenden Beratungs- und Forschungsorganisation für öffentliche und private Institutionen, die Start-up-Ökosysteme aufbauen wollen, bräuchte es etwa 1200 Jungunternehmen, damit ein Ökosystem die nötige Dynamik entwickelt.

Davon ist Hessen um einiges entfernt – und das, obwohl es zu den wirtschaftsstärksten Bundesländern zählt, über hochrangige Universitäten verfügt und gerade der Finanzplatz Frankfurt Entfaltungsmöglichkeiten etwa für Fintechs bieten sollte.

Die Rolle der Start-up-Förderung für das Land betont Philipp Nimmermann, Staatssekretär beim Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnungsbau (HMWEVW): „Start-ups sind Innovationstreiber für die Wirtschaft von morgen. Deshalb wollen wir in Hessen optimale Standortbedingungen bieten, damit hier möglichst viele Start-ups entstehen und wachsen. Gut ausgestaltete Förderprogramme sind eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Gründungen.“

Zu den vielen Ansätzen, die die Landesregierung verfolgt, um Neugründungen zu unterstützen, zählen etwa Förder- und Finanzierungsangebote, die Start-up-Initiative Hessen, Institutionen wie die BMH Beteiligungs-Managementgesellschaft Hessen, die Bürgschaftsbank Hessen und die WIBank, das Starthub Hessen und das Techquartier (TQ). Das TQ hat nun gemeinsam mit der Goethe-Universität Frankfurt eine neue Initiative zur Förderung von Unternehmertum ins Leben gerufen. Das für Teilnehmer kostenlose Programm „H_Ventures“ soll Neugründern die Möglichkeit geben, Unternehmen zu starten, die mit Daten arbeiten und maschinelles Lernen sowie künstliche Intelligenz (KI) einsetzen. Ziel ist, mit diesen datengetriebenen Start-ups Bedarfe und konkrete Anwendungsfälle aus der Finanzindustrie und Realwirtschaft zu adressieren. Das Projekt wird mittelbar durch das HMWEVW unterstützt, indem es eine Studie der Goethe-Universität zur Ausgestaltung von Gründungsprogrammen fördert, die das TQ durchführt.

„Das siebenwöchige Flaggschiffprogramm für ganz Hessen soll einen Baustein im Aufbau des Start-up-Ökosystems bilden“, erklärt Sebastian Schäfer, einer der beiden TQ-Geschäftsführer. Es richte sich an hessische Studierende, Berufstätige, Jungunternehmer und Erstgründer, die eine Idee für ein datengetriebenes Unternehmen haben oder sich in einem neuen Start-up-Team einbringen möchten. Der Fokus solle indes nicht nur auf der Finanzbranche liegen. Wobei eine Zusammenarbeit mit der Financial Big Data Cluster Initiative und den geförderten Projekten SafeFBDC und Eurodat sicher naheliegend sei. Auch das hochschulübergreifende Netzwerk für KI, HessenAI, solle unterstützen. Insgesamt sollten Schnittstellen für alle Player des hessischen Start-up-Ökosystems gebildet werden.

Für das H_Ventures-Programm werden nun Datenexperten gesucht, die bereits ein Unternehmen aufbauen oder eine Idee haben, bei der KI, maschinelles Lernen und Big Data in allen Geschäftsbereichen eingesetzt werden. Die Bewerbungsfrist läuft bis zum 18. September unter https://h-ventures.studio/. Der Programmstart für die erste Runde ist für den 26. September vorgesehen.

Die Teilnehmer erhalten Training und Zugang zu virtuellen Networking-Veranstaltungen, Workshops, Keynotes sowie Input-Sessions und werden an Live-Events in Frankfurt und anderen hessischen Städten teilnehmen. Neben Informationen zu Fundraising, Geschäftsmodellierung und Produktreife sowie zu Personal- und Rechtsfragen liegt auch ein Schwerpunkt auf der Förderung von weiblichen Gründern und Migranten.

Insgesamt drei Programmstufen sind vorgesehen, angefangen mit Team-Bildung und Ideenfindung. Anschließend wird ein Bootcamp durchgeführt, das als praktische Lernerfahrung im TQ geplant ist. Hier sollen die Teilnehmer mit erfahrenen Unternehmern und Experten aus den Bereichen KI, maschinelles Lernen und Big Data zusammenarbeiten und lernen, was nötig ist, um ein Unternehmen zu gründen und wachsen zu lassen. Hierbei bietet sich auch die Chance, die eigene Idee vor Investoren zu präsentieren. Und in der dritten Stufe „Inkubation & Validierung“ werden die Teilnehmer von Experten und Mentoren auf ihrem Gebiet betreut und gecoacht und sollen das, was sie gelernt haben, in die Praxis umsetzen.

Geplant ist Schäfer zufolge, etwa 25 Ideen aufzunehmen und Teams dazu aufzubauen. Das Programm werde über zwei Jahre gefördert und in drei Editionen durchgeführt. Nach Abschluss der ersten Phase im November soll im Frühjahr 2023 die zweite folgen. Dabei werde ständig evaluiert und wirtschaftlich ausgewertet, ob diese Trainingsformate wirksam sind. Der Key Performance Indicator wird aber sein, ob aus diesem Programm mehr Start-ups entstehen, damit das Land Hessen bei den Neugründungen aufholen kann.

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