Im BlickfeldProSiebenSat.1

Mehr Show als harter Wettbewerb

Die Großaktionäre MFE und PPF buhlen um die Gunst des Streubesitzes von ProSiebenSat.1. Doch eine Anteilsmehrheit streben beide nicht an. Die Vorstellungen von der Strategie unterscheiden sich allerdings.

Mehr Show als harter Wettbewerb

ProSiebenSat.1

Mehr Show als harter Wettbewerb

Die Großaktionäre MFE und PPF buhlen um die Gunst des Streubesitzes von ProSiebenSat.1. Doch eine Anteilsmehrheit streben beide nicht an. Die Vorstellungen von der Strategie unterscheiden sich allerdings.

Von Joachim Herr, München

Auf der Hauptversammlung im April vor einem Jahr konnte man den Eindruck gewinnen, als machten die beiden Aktionäre gemeinsame Sache: der italienische Medienkonzern Media for Europe (MFE) und die tschechische Beteiligungsgesellschaft PPF. Beide setzten sich damals jedenfalls mit ihren Gegenvorschlägen für die Wahlen zum Aufsichtsrat durch.

Inzwischen lassen sich jedoch die unterschiedlichen Vorstellungen über die Strategie von ProSiebenSat.1 klar erkennen: PPF plant ein anderes Programm als MFE. Auch deshalb konkurrieren beide mit Übernahmeofferten um die Gunst der Aktionäre. Ganz offensichtlich sind die Differenzen zum einen bezogen auf die Verkäufe von Beteiligungen des deutschen Medien- und Internetkonzerns, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Zum anderen verfolgen MFE und PPF unterschiedliche Ansätze in der Frage, ob ein europäischer Medienverbund eine erfolgversprechende Strategie wäre, um sich gegen die US-amerikanischen Giganten wie Disney, Apple, Netflix und Amazon auf längere Sicht zu behaupten.

Der Preis muss stimmen

Alle sind sich darin einig, dass sich ProSiebenSat.1 auf Unterhaltung als Kerngeschäft konzentriert: Vorstand, Aufsichtsrat, MFE und PPF. Was den Zeitplan betrifft, ist MFE allerdings anderer Ansicht. Die Italiener dringen auf einen raschen Verkauf von Beteiligungen. „Es braucht konkrete und definitive Entscheidungen“, hatte MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi schon im Januar 2024 gefordert. Das Management von PPF änderte mittlerweile seine Einstellung dazu. Verkaufen ja, aber schnell zu verkaufen, sei der falsche Weg, sagt Didier Stoessel, der Investmentchef von PPF.

Er schließt sich der Meinung des Vorstands von ProSiebenSat.1 an, dass der Preis stimmen müsse. Zeitdruck würde lediglich die Verhandlungsposition der Kaufinteressenten stärken. Konzernchef Bert Habets und Finanzvorstand Martin Mildner haben PPF offenbar besänftigt: Mit dem vor zwei Monaten angekündigten Verkauf von Verivox für einen ordentlichen Preis haben sie bewiesen, dass sie liefern. Neuer Eigentümer des Internet-Verbraucherportals ist Molitply in Italien.

Gemeinsame Plattform

Auf der Verkaufsliste steht weiterhin die Online-Parfümerie Flaconi. 2021 hatte der damalige Vorstand vergeblich versucht, Flaconi an die Börse zu bringen oder zu verkaufen. Vielleicht erfahren die Aktionäre auf der Hauptversammlung am nächsten Mittwoch Neues dazu. Der Börsengang des Datingvermittlers Parship-Meet-Group war für 2022 angepeilt worden, liegt aber für unbestimmte Zeit auf Eis. Dieses Geschäft läuft längst nicht mehr so gut.

Der zweite Punkt, in dem die Differenzen in den Vorstellungen der zwei großen Aktionäre sichtbar werden und der schwerer wiegt, ist die Europa-Strategie von MFE. Das Management um Pier Silvio Berlusconi, der Sohn des vor zwei Jahren gestorbenen Politikers und Unternehmers Silvio Berlusconi, gibt sich davon überzeugt, nur mit dem Bündeln der Kräfte in Europa ein Gegengewicht zu Amazon, Netflix und Co. schaffen zu können – auch mit einer gemeinsamen Streamingplattform. Nach den TV-Sendern in Italien und Spanien sollen mit den Fernsehstationen von ProSiebenSat.1 die drei deutschsprachigen Länder hinzukommen. Doch Berlusconis Konzept ist recht vage.

Enttäuschende Erfahrungen

Zudem verfolgt kein anderer europäischer Medienkonzern eine solche Idee. Auch PPF ist nicht davon überzeugt. ProSiebenSat.1 hatte mit der SBS-Gruppe, die von 2007 bis 2012 zum Konzern gehörte, enttäuschende Erfahrungen gemacht: Nennenswerte Synergien ließen sich nicht erzielen. Zu SBS gehörten Sender in den Niederlanden, Belgien, Skandinavien und Osteuropa.

Viel verspricht sich PPF dagegen davon, hochwertige Inhalte auf digitale Plattformen zu bringen und somit lineares Fernsehen rascher als bisher in ein digitales Medium umzuwandeln. Das treibt PPF schon in einigen Ländern und Sprachregionen voran. „Joyn“ von ProSiebenSat.1 sei eine gute Streamingplattform, heißt es im Umfeld von PPF. Doch sie brauche mehr Content, also Inhalte. Und der Konzern müsse sich stärker als bisher auf das Digitale ausrichten und auch mehr „digital first“ wagen, also ab und an besonders attraktive Inhalte zuerst oder ausschließlich auf Joyn zeigen.

In der Branche erfahren

Central European Media Enterprises (CME), die Medienholding von PPF, ist in sieben mittel- und osteuropäischen Ländern von Tschechien bis Rumänien und Moldau mit 46 TV-Kanälen präsent. Zielgruppe sind dort insgesamt 49 Millionen Menschen – also weniger als allein im deutschen Markt von ProSiebenSat.1. CME betreibt außer den Sendern die Streamingplattform Voyo, die in der Tschechischen Republik One Play heißt. PPF bezeichnet die digitale Plattform als Schlüsselelement der Strategie von CME.

PPF ist deshalb als Aktionär von ProSiebenSat.1 nicht nur in der Rolle eines Investors mit selbst bekundetem langfristigem Interesse, sondern bringt auch Wissen und Erfahrung aus der Branche ein. Mit dem Übernahmeangebot von MFE sah PPF einen größeren Einfluss auf die Strategie des deutschen Unternehmens in Gefahr. Deshalb zogen die Tschechen in der vergangenen Woche nach und bieten den Aktionären 7 Euro je Aktie – mehr als MFE –, um ihren Anteil auf maximal 29,99% aufzustocken. Laut der jüngsten Pflichtmitteilung hat PPF am 15. Mai die Stimmrechte von 14,91 auf 15,01% erhöht (siehe Grafik). Einschließlich Derivaten liegt ihr Anteil nun bei 15,44%.

Den Plan von MFE durchkreuzt

PPF wolle ein etwa gleich starker Aktionär wie MFE sein, ist im Umfeld der Beteiligungsgesellschaft zu hören. Dann könne sich der Vorstand von ProSiebenSat.1 besser auf seine wesentlichen Aufgaben konzentrieren: das digitale Angebot auszubauen und das Kerngeschäft mit lokalen Inhalten stärken.

PPF durchkreuzt mit dem Gegenangebot den Plan von MFE. Die Italiener machen in der Angebotsunterlage gar keinen Hehl daraus: Sie beabsichtigen nicht und rechnen auch gar nicht damit, dass sich der Streubesitz von ProSiebenSat.1 wesentlich verringert. MFE hat nach der Ankündigung der Offerte die Stimmrechtsschwelle von 30% schon überschritten und kann künftig Aktien zukaufen, ohne den anderen Aktionären ein Pflichtangebot machen zu müssen. Der gebotene Preis liegt minimal über dem gesetzlichen Mindestwert – ein sogenanntes Lowball Offer. MFE will 4,48 Euro in bar und 0,4 MFE-Aktien je Anteil zahlen – derzeit etwa 5,80 Euro.

Sechs von neun Sitzen für MFE und PPF

Für die Aktionäre ist das Paket unattraktiv, was jedoch ganz im Sinn von MFE ist. Dennoch stellt sich die Frage, ob die Italiener ihr Angebot erhöhen, um ihren Vorsprung im Aktionärskreis vor PPF zu sichern. Denn im Aufsichtsrat lässt sich die Strategie am besten beeinflussen. Dessen Besetzung spiegelt die Anteilsverhältnisse wider. Seit der Hauptversammlung vor einem Jahr lassen sich vier der neun Sitze im Aufsichtsrat MFE zuordnen, zwei PPF. PPF hat mit der Ankündigung des Angebots gleich einen Anspruch auf einen dritten Posten angemeldet.

Im Umfeld von MFE heißt es, mit einem höheren Angebot des italienischen Unternehmens sei nicht zu rechnen. Ein harter Bieterwettstreit zeichnet sich also nicht ab. Stattdessen machen Spekulationen die Runde: zum Beispiel die Vermutung, PPF versuche, sich mit ihrer Offerte in eine gute Position zu bringen, um später von MFE einen besseren Preis für ihr Aktienpaket zu bekommen. Ein solcher Kauf wird auf Seiten der Italiener nicht ausgeschlossen. Dort gibt es Zweifel am neuerdings von PPF bekundeten strategischen Interesse an ProSiebenSat.1. Anfangs hatten sich die Tschechen allein in der Rolle als Finanzinvestor präsentiert.

Kritik schon vor einem Jahr

Dass der Vorstand und Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 in einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme empfehlen, das Angebot von MFE nicht anzunehmen, kommt nicht überraschend. „Aus finanzieller Sicht nicht angemessen“, lautet die Einschätzung angesichts des offerierten Preises, der unter dem Angebot von PPF und dem aktuellen Aktienkurs liegt. Finanzvorstand Martin Mildner hatte schon vor einem Jahr im Interview der Börsen-Zeitung ein mögliches Lowball-Offer von MFE scharf kritisiert, da es den anderen Aktionären eine Übernahmeprämie verweigert.

MFE dürfte nichts anderes als eine ablehnende Stellungnahme erwartet haben. Ein solches Votum liegt schließlich auch aus einem anderen Grund im Interesse des italienischen Aktionärs: Überschritte der Anteil von MFE 50%, könnten die Kreditbanken von ProSiebenSat.1 ihre Finanzierungsverträge wegen einer üblichen Change-of-Control-Klausel kündigen. Es geht um einen Summe von 2,625 Mrd. Euro. Dem stehen Kreditlinien von MFE von lediglich 2,1 Mrd. Euro gegenüber. Wenn wenige oder überhaupt keine Aktionäre von ProSiebenSat.1 die Offerte annehmen, wäre das also ganz im Sinne von MFE.

Finanzmarktkalender Seite 14

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