Paris gefährdet die Eurozone
Schuldenkrise
Paris gefährdet die Eurozone
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Paris scheint außerstande, die Schuldenspirale zu stoppen. Frankreich steht damit vor einer existenziellen Krise, die auch die Eurozone erschüttern dürfte.
Von Gesche Wüpper
Er gilt als Zauderer. Doch mit dem Haushaltsentwurf für 2026 ist Frankreichs Premierminister François Bayrou ein beachtliches innenpolitisches Risiko eingegangen, das auch für Europa nicht ohne Folgen bleiben wird. Um das hohe Defizit zu senken und den riesigen Schuldenberg in den Griff zu bekommen, will er Staats- und Sozialausgaben samt Renten auf dem Niveau von 2025 einfrieren. Jede dritte aus Altersgründen frei werdende Beamtenstelle soll nicht ersetzt werden. Steuererleichterungen begrenzen, das Gesundheitssystem effizienter machen und zwei Feiertage streichen – all das soll Einsparungen und zusätzliche Einnahmen von 43,8 Mrd. Euro bringen. Lediglich das Verteidigungsbudget soll zulegen.
Sollte Bayrous Budgetentwurf tatsächlich umgesetzt werden, könnte es durchaus gelingen, das Defizit 2026 wie versprochen von den für 2025 erwarteten 5,4% des BIP auf 4,6% zu senken, 2029 dann gar auf 2,8%. Aber auch das würde wohl nicht reichen, um den weiteren Anstieg der Staatsverschuldung und die immer höhere Belastung durch den Schuldendienst zu stoppen. Die Gefahr, dass Frankreich in eine Schuldenkrise rutscht, wächst rasant.
Bayrou droht Misstrauensantrag
Zudem ist unwahrscheinlich, dass der Haushalt tatsächlich so kommt, wie präsentiert. Opposition und Gewerkschaften laufen bereits jetzt Sturm dagegen. Angesichts der Machtverhältnisse in der in drei gleich große Blöcke gespaltenen Nationalversammlung wird Bayrous Minderheitsregierung zu Zugeständnissen gezwungen sein. Und selbst dann könnte ihr dasselbe Schicksal wie der vorigen Regierung drohen, die über einen Misstrauensantrag zum Haushalt gestürzt ist.
Noch haben die Märkte kaum reagiert. Sie wissen, dass die große Bewährungsprobe für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone erst nach der Sommerpause kommt. Dann wird sich zeigen, ob Bayrou mit seinem Plan Märkte und Ratingagenturen überzeugen kann. Doch die Zweifel daran sind groß. Denn bei Investoren gilt Frankreich längst als Land mit hoher Abgabenlast, dem es nicht gelingt, Reformen umzusetzen und seine öffentlichen Finanzen in den Griff zu bekommen. Nach der Ratingagentur Moody's stuft womöglich am 12. September auch Fitch Frankreichs Bonität herunter.
Mehr Zinsen als Italien
Erschwerend kommt die allgemeine politische Unsicherheit hinzu. Der Renditeaufschlag französischer Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit hat sich gegenüber Bundesanleihen erhöht und liegt mit 71 Basispunkten deutlich über dem Niveau, das er vor der Auflösung Nationalversammlung hatte. Bei fünfjährigen Staatsanleihen muss Frankreich inzwischen sogar mehr Zinsen als Italien zahlen. Bei den Zehnjährigen haben sich die Sätze schon angenähert. Das spiegelt die Stimmung an den Märkten wider, die Italien trotz einer noch höheren Schuldenquote inzwischen wohler gesonnen sind.
Um diesen Trend umzukehren, müsste Frankreich erhebliche Anstrengungen unternehmen. Dies ist jedoch vor den Präsidentschaftswahlen 2027 nicht zu erwarten. Mit einer Staatsverschuldung von zuletzt 3,35 Bill. Euro — mit 114% des BIP doppelt so viel wie 1995 — weist Frankreich die dritthöchste Schuldenquote der Eurozone auf. Bis zum Jahresende dürfte der Wert auf 116% steigen, Ende 2027 dann auf 118%. Der Schuldendienst macht mit rund 55 Mrd. Euro laut Banque de France bereits jetzt 9,5% des Budgets aus. Wegen der höheren Zinsen könnte er sich bis 2029 auf 100 Mrd. Euro erhöhen.
Frankreich droht damit ein Teufelskreis, da die steigende Verschuldung die Zinslast nach oben treibt, wodurch sich Defizite und Verschuldung weiter erhöhen. Um sie unter Kontrolle zu bekommen, wären sehr viel umfangreichere Konsolidierungen als die im Haushalt vorgesehenen nötig. Ohne harte Schnitte wird Paris insofern nicht aus der Schuldenspirale kommen. Und wenn das nicht gelingt? Dann wackelt auch die Eurozone in ihren Grundfesten und eine neue Eurokrise droht.