Depositenschutz

Privater Einlagen­sicherung steht Stresstest bevor

Soeben haben die privaten Banken die jüngste Reform ihrer Einlagensicherung beschlossen, da drohen mit einer Zinswende alte Gräben aufzubrechen. Unter den kleinen Privatbanken regt sich Unmut.

Privater Einlagen­sicherung steht Stresstest bevor

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Dem Vernehmen nach war die Stimmung recht angespannt, als beim Bundesverband deutscher Banken (BdB) in der vergangenen Woche die Mitglieder des Ausschusses für die Privatbankiers regulär zusammentraten. Grund war ein Gegenstand der Debatte: die jüngste Reform der Einlagensicherung – und dies gerade einmal sechs Wochen nachdem die BdB-Mitgliederversammlung die deutliche Reduktion des freiwilligen Depositenschutzes durchgewunken hatte. Deren Bedeutung im Lichte einer Zinswende scheint manchem Privatbankier aber erst jetzt so recht klar zu werden; als im Dezember die Kürzungen nach Pleite der Greensill Bank angekündigt worden waren, hatte sich keine Kritik geregt.

Alte Gräben

Nun allerdings steht der Einlagensicherung ein Stresstest bevor, zudem drohen alte Gräben zwischen Groß und Klein im Verband aufzubrechen. Das Umfeld hat sich geändert:  Hatte mancher Beobachter noch vor Jahresfrist nach dem Sinn einer Einlagensicherung gefragt, wenn Depositen nach Jahren der Negativzinsen von einem wertvollen Gut zu einer Belastung geworden sind, der sich Banken mit Abwehrkonditionen erwehren, ist nun absehbar, dass der Wind sich dreht. Steigen die Zinsen, gewinnt die Refinanzierung über Depositen an Wert, und Banken müssen Einlagen akquirieren.

Der Deutschen Bank, der man als größtes Kreditinstitut der Republik eine implizite Staatsgarantie unterstellt, wird dies keine Probleme bereiten. Wie aber sieht es mit einer kleinen Privatbank aus, die dabei in Konkurrenz zu mit Institutssicherung ausgestatteten Sparkassen und Genossen tritt? Wenn die jüngste Reform Anfang 2023 in Kraft tritt, fällt nicht nur der Schutz für Einlagen professioneller Einleger wie Versicherer, Investmentgesellschaften und öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten weg. Unter anderem treten auch Obergrenzen in Kraft, die den Schutz privater Sparer, von Stiftungen und Gesellschaften bürgerlichen Rechts bis 2030 sukzessive von 5 Mill. auf immerhin noch 1 Mill. Euro reduzieren.

Gerade die letzte Reduktion auf 1 Mill. Euro beschäftigt nun manche Bank, wie zu hören ist. Insgesamt wird die Reform das Volumen der freiwillig geschützten Einlagen in etwa halbieren, nachdem die privaten Banken schon 2017 nach Pleite der Maple Bank den Schutzumfang eingeschränkt hatten. Nicht wenige Privatbanken sehen nun ihre Felle davonschwimmen. Denn Einlagen laufen aus, das Neugeschäft ist betroffen. Und je stärker die Zinsen steigen, umso eher wird es für einzelne Häuser ans Eingemachte gehen. Das neue System sei offenbar auf den Nullzins zugeschnitten, heißt es im Markt. Mag sein, aber hatte der Bankenverband, der nun ausloten will, wie er den Mitgliedern etwa in Sachen Investor Relations unter die Arme greifen kann, eine Wahl?

Ein Verband im Spagat

Greensill-Pleite und Zinswende werfen nur aufs Neue ein Licht auf den Spagat, in den die Organisation gezwungen wird, um die Interessen zwischen den Mitgliedern auszutarieren. In der Frage der Einlagensicherung stehen dabei die kleinen Häuser, welche auf einen großzügigen Depositenschutz dringen, den Großbanken gegenüber, die zwar kaum jemals in die Situation geraten dürften, den Sicherungsfonds zu beanspruchen, schon weil dieser sie kaum auffangen könnte, jedoch grundsätzlich den Löwenanteil der Beiträge berappen müssen. So war auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank im Mai vergangenen Jahres zu erfahren, dass sich infolge der Greensill-Pleite die Beiträge des Instituts allein zur gesetzlichen Einlagensicherung, also ohne freiwilligen Depositenschutz, 2021 um 70 Mill. und in den Jahren bis 2024 um jeweils 60 Mill. Euro erhöhen dürften.

Die immensen Unterschiede in der Größe seiner Mitglieder hatten bei den privaten Bausparkassen schon vor Jahren dazu geführt, dass diese ihren freiwilligen Einlagensicherungsfonds per Februar 2017 auflösten. Auch deshalb war nach der Havarie der Greensill Bank allseits klar, dass die Einlagensicherung einen weiteren Entschädigungsfall dieses Kalibers kaum überstehen dürfte, schließlich sind dort in den zurückliegenden sechs Jahren knapp 6 Mrd. Euro an Entschädigungen aufgelaufen. Entsprechend zügig hatte sich der Verband an eine Reform des Apparats gemacht. Bevor er sich daranmachte, den Einlagenschutz nochmals zu reduzieren, hatte der BdB im Juni vergangenen Jahres den Chef seines 160 Personen starken Prüfungsverbandes ausgewechselt und die Beratung Egon Zehnder beauftragt, seinen Apparat und dessen Personal zu durchleuchten. Hatte der Insolvenzverwalter im Fall der Lehman Bank 2008 noch die gesamte Schadenssumme wieder hereingeholt, wie zu hören war, ist dies im Fall der Greensill Bank, die windige Verbriefungen der Mutter Greensill Capital finanzierte, noch lange nicht ausgemacht.

Die jüngste Reform ist ein mühsam ausgehandelter Kompromiss zwischen den großen Mitgliedern und den kleineren Privatbanken, die sich schon vor Jahren vom BdB in der Betreuung bei regulatorischen Fragen vernachlässigt fühlten – auch deshalb rief der Verband vor drei Jahren eine „Bankenakademie“ ins Leben, die gerade kleine und mittelgroße Institute unterstützen soll. In den kommenden Jahren wird sich zeigen, wie belastbar dieser Kompromiss ist.

Kostenschmerz

Die unangenehme Lage mancher Privatbanken geht dabei mit einer ebenso brisanten Situation etwa in Deutschlands größtem Kreditinstitut einher, das ohnehin mit seinen Kosten kämpft. Erst vor drei Wochen wurde die Deutsche Bank nach überraschend starken Quartalszahlen an der Börse wegen hartnäckig hoher Kosten abgestraft. Und auch wenn das Haus für 2021 Boni über 2,1 Mrd. Euro zuerkannte – manche Beschäftigte hadern mit ihrer variablen Vergütung. Da dürften sich die Vorzüge der Mitgliedschaft in einer freiwilligen Einlagensicherung, die der Bank außer Kosten wenig bringt, nicht allen Beschäftigten erschließen. Auf Christian Sewing kommt damit die Aufgabe zu, als Deutsche-Bank-Chef die Reihen im größten Kreditinstitut des Landes geschlossen zu halten und zugleich als Bankenpräsident und Kopf einer Großbank die zahlreichen kleinen Banken im Verband bei Laune zu halten.

Heftige Einschläge
Große Entschädigungsfälle für die BdB-Einlagensicherung, in Mrd. Euro
BankJahrUmfang*
Lehman Brothers 2008knapp 7
Maple Bank20172,6
Greensill Bank20213
*) Entschädigungsleistung aus gesetzlicher und ­frei­williger EinlagensicherungBörsen-Zeitung
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.