Spin-off – Plötzlich Top-Trend im Transaktionsgeschäft
Spin-off – Top-Trend
im Transaktionsgeschäft
Spin-offs waren in deutschen Chefetagen lange Zeit verpönt. Heute besticht das Argument der Transaktionssicherheit. Herausfordernd gestaltet sich jedoch die Preisbildung.
Von Annette Becker, Köln
In Corporate Germany erfreuen sich Firmenaufspaltungen gerade wieder wachsender Beliebtheit. Dabei kommt immer häufiger die Variante des Spin-off, bei dem den Aktionären des Mutterkonzerns Aktien der abzugebenden Gesellschaft ins Depot gelegt werden, ins Spiel. So steht im September die Notierungsaufnahme von Aumovio, dem Autozuliefergeschäft von Continental, im Börsenkalender. Im weiteren Jahresverlauf soll die Marinesparte von Thyssenkrupp, TKMS, folgen.
Während die Conti-Aktionäre der Abspaltung schon im April zustimmten, sind die Anteilseigner von Thyssenkrupp an diesem Freitag am Zug. Damit der Plan aufgeht, ist eine Dreiviertelmehrheit nötig. Die Zustimmung gilt als sicher, drängen die Aktionäre doch schon seit vielen Jahren zur Zerschlagung des Konglomerates. Die Kursentwicklung von Thyssenkrupp mag in dieser Hinsicht als Beleg gelten: Seit sich der Traditionskonzern Mitte Februar auf den Spin-off als Trennungsweg festgelegt hat, hat sich der Aktienkurs mal eben verdoppelt. Allen voran der Krupp-Stiftung, mit 21% die größte Einzelaktionärin, liegt die Zerlegung des Konzerns am Herzen. Denn das Stiftungsvermögen besteht derzeit einzig aus der Beteiligung an Thyssenkrupp, Diversifikation tut also dringend Not.
Geschäftsfelder im Wege des Spin-off an die Aktionäre abzugeben, ist seit ungefähr einem Jahr der Top-Trend im Transaktionsbereich.
Stephan Waldhausen, Freshfields
„Aus Sicht der Aktionäre wird ein echter Spin-off in der Regel gegenüber einem IPO bevorzugt, weil ein direktes Investment besser ist als ein indirektes“, sagt Freshfields-Partner Stephan Waldhausen. Dennoch war der Spin-off in den deutschen Chefetagen lange Zeit verpönt. Zum einen, weil kaum ein Konzernchef sein Imperium freiwillig verkleinert, und zum anderen, weil dem Mutterkonzern beim „echten“ Spin-off kein Geld zufließt. Der alternative IPO eines abzugebenden Geschäfts spült dagegen Cash in die Firmenkasse, das – wenn sinnvoll eingesetzt – für den „Machtverlust“ kompensieren kann. Gedacht sei an Akquisitionen zur Stärkung des Kerngeschäfts.
Seit 2005 trennten sich hierzulande nur sechs Großkonzerne im Wege des Spin-off von Unternehmensteilen. Das ändert sich gerade: „Geschäftsfelder im Wege des Spin-off an die Aktionäre abzugeben, ist seit ungefähr einem Jahr der Top-Trend im Transaktionsbereich“, erzählt Waldhausen. Grund für den Meinungsumschwung ist das extrem volatile Kapitalmarktumfeld, das aus Börsengängen allzu oft ein Vabanquespiel macht. Der Spin-off bietet dagegen Transaktionssicherheit.
Equity Story entscheidend
Das heißt jedoch nicht, dass dem Mutterkonzern die Kursperformance der abgespaltenen Tochter egal wäre. „Bei einem Spin-off steht für die begleitenden Banken unter anderem die Vermarktung der Equity Story des Spin-off-Unternehmens im Vordergrund“, sagt Patrick Treffinger, Director im Bereich Equity Capital Marktes der Deutschen Bank.
Da die Muttergesellschaft im ersten Schritt häufig investiert bleibt, hat sie selbst ein valides Interesse an einer guten Kursentwicklung. So behielt Siemens bei Siemens Energy beispielsweise 45%, Mercedes bei Daimler Truck 35% und Eon bei Uniper 47%. Thyssenkrupp will sich in einem ersten Schritt sogar nur von 49% der Anteile an TKMS trennen, um die Gesellschaft auch künftig konsolidieren zu können. In diesem Zusammenhang dürften auch Ratingerwägungen eine Rolle spielen, hat sich TKMS zuletzt doch als Cashcow einen Namen gemacht.
Vielfältige Gründe
„Es gibt verschiedene Mega-Trends, die Anpassungen der Geschäftsmodelle und Konzernportfolios erforderlich machen. Stichworte sind in diesem Zusammenhang Tech-Investitionen, Energiewende, Automotive, China-Geschäft“, zählt Waldhausen auf. Doch auch die Investoren spielen eine Rolle. „Der Kapitalmarkt schwankt immer zwischen den Polen Konglomerat wegen des Hedgings und Pure Play. Momentan ist Pure Play angesagt“, sagt der Freshfields-Jurist.
Doch so sicher der Spin-off auch sein mag, so schwierig ist die Preisbildung am Markt. „Anders als beim IPO wird bei einem Spin-off kein Angebotspreis im Rahmen eines Bookbuilding mit Investoren ermittelt“, erläutert Treffinger. Das heißt, der vorbörsliche Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage über den Preis findet beim Spin-off nicht statt.
Für Marktteilnehmer sind die Analystenberichte ein Kernbezugspunkt.
Patrick Treffinger, Deutsche Bank
Da sich die Investoren auf der Roadshow hinsichtlich ihrer Zahlungsbereitschaft bedeckt halten, muss die Werbetrommel beim Spin-off umso lauter geschlagen werden. Fällt der Startschuss für den Ableger mit der Hauptversammlung, welche die Abspaltung genehmigt, beginnt die eigentliche Arbeit im Anschluss. Normalerweise präsentiert sich das an die Börse strebende Unternehmen zunächst auf einem Kapitalmarkttag. Dann beginnen die Analysten ihre Berichte samt Bewertung zu schreiben. „Für Marktteilnehmer sind die Analystenberichte ein Kernbezugspunkt“, weiß Treffinger. Ein bis zwei Wochen vor dem Listing wird der Börsenprospekt veröffentlicht, auf dessen Basis dann die finale Management-Roadshow stattfindet.
Wie gut der Vorstand und die Banken ihren Job gemacht haben, zeigt sich am ersten Handelstag. Wie bei jeder notierten Aktie beginnt um 8.50 Uhr die Eröffnungsauktion, in der der erste Preis ermittelt wird. Anders als bei notierten Aktien gibt es für die Aktie des Spin-off jedoch keinen Vortagesschlusskurs als Orientierungshilfe. Die Folge: „Die Spannen zwischen Angebots- und Nachfragepreis sind bei Spin-off-Unternehmen in der Opening Auction am ersten Handelstag in der Regel viel breiter als bei gelisteten Aktien“, berichtet Treffinger. Sollten die Spannen um 9 Uhr noch immer stark auseinanderklaffen, verlängert sich die Auktion im 2-Minuten-Takt automatisch.
Zum Verkauf gezwungen
Erst wenn sich Angebot und Nachfrage preislich treffen, ist der Eröffnungskurs gefunden. Dann zeigt sich auch, ob Mutter und Tochter gemeinsam mehr wert sind als der Konzern in seiner Gesamtheit. Das ist häufig der Fall. Eine Garantie dafür gibt es jedoch nicht, wie die Aufspaltung der Metro Group in den Lebensmittelhändler und Ceconomy, den Händler für Unterhaltungselektronik, 2017 zeigte. Die Kursentwicklung bleibt dann ausschließlich dem Markt überlassen, denn „anders als bei einem IPO erfolgt bei einem Spin-off keine Stabilisierung des Aktienkurses nach erfolgtem Listing“, sagt Treffinger.
In aller Regel ist die Zahl der verkaufswilligen Aktionäre ziemlich groß. So müssen sich Indexfonds von den Aktien der neuen Gesellschaft ebenso trennen wie aktive Fonds, die beispielsweise hinsichtlich der Marktkapitalisierung oder thematisch beschränkt sind. „Die begleitenden Banken versuchen den Kreis der Verkaufswilligen zu minimieren“, sagt Treffinger und veranschaulicht:. „Bei Siemens Energy wechselten in der ersten Handelswoche grob 20% des Spin-off-Volumens den Besitzer. Der Großteil davon am ersten Handelstag.“