KommentarTether zeigt das gigantische Ausmaß

Stablecoin-Verzinsungen sind Gift für die Einlagenbasis der Banken

Während in den USA dank des Genius Act Stablecoin-Euphorie herrscht, wirkt Europas Regulierung lähmend. Dabei ist Sorgfalt in der Regulierung wichtig, können Stablecoins doch Depositenabflüsse bei den Banken bewirken, was das System ins Wanken bringen kann.

Stablecoin-Verzinsungen sind Gift für die Einlagenbasis der Banken

STABLECOINS

Heikle Depositenverzinsung

Von Björn Godenrath
Von Björn Godenrath

Während Europas Finanzbranche mit der Umsetzung einer Flut von delegierten Rechtsakten kurz vor dem Regulierungsinfarkt steht, werden in den USA Hürden für Finanzinnovationen ruckzuck aus dem Weg geräumt. So geschehen ist das beim Genius Act, der Ausgabe und Handel von Stablecoins regelt, was dafür sorgt, dass eine Flut von Unternehmen auf den US-Markt drängt, um Geschäftschancen wahrzunehmen. Aber da der Genius Act eine Lücke lässt bei der Regulierung des Sekundärmarktes, ergibt sich eine Bedrohung für das Bankensystem an sich.

Locken Stablecoins mit höheren Zinsen, dann verlieren die Banken Depositen

Denn da sich das Regelwerk auf den Primärmarkt beschränkt, ist die Verzinsung von Stablecoins zwar für Emittenten verboten, aber den Krypto-Plattformen im Sekundärmarkt wurde mangels Berücksichtigung eine Hintertür öffnet, die bei ihnen geparkten Guthaben mit einer zins-ähnlichen Vergütung attraktiv zu machen. Anbieter wie Coinbase und Paypal sind bereits durch diese Hintertür geschlüpft und offerieren in einem semantischen Balanceakt „Belohnungen“ (Rewards) für hinterlegte Stablecoins, die als Einlage mit 3% bis 5% vergütet werden, was deutlich über dem Depositenniveau der Geschäftsbanken liegt. Das bedroht in letzter Konsequenz die Einlagenbasis der Institute, die sie brauchen, um ihre Ausleihungen zu finanzieren.

Weniger Einlagen bedeutet weniger Kredite

Damit steht aber die Finanzstabilität auf dem Spiel, die geprägt ist aus dem Zusammenwirken von Notenbanken und Geschäftsbanken, die mit dem Kredit die Wirtschaft versorgen und somit Teil der Maschinerie für Wirtschaftswachstum sind. Und es liegt ja auf der Hand, dass mit schwindender Depositenbasis die Kreditvergabefähigkeit reduziert wäre. Das kann niemand wollen. Ergo muss zum einen das Schlupfloch geschlossen werden. Zum anderen müssen die Banken selbst im Stablecoin-Geschäft tätig zu sein, um zunächst mal die niedrig hängenden Früchte im Primärmarktgeschäft selbst zu pflücken. Und sobald Stablecoins als zinstragende Finanzinstrumente zugelassen sind, buhlt man damit selbst um Einlagen.

Eine Gelddruckmaschine namens Tether

Im übrigen sind diese niedrig hängenden Früchte in den USA besonders wohlschmeckend. Denn zur Deckung ihrer Stablecoins kaufen die Emittenten hauptsächlich Treasury-Bills, die mit Zinseinnahmen um die 4,25% verbunden sind. Was das bedeutet, lässt sich am Branchenriesen Tether ablesen: Der fährt jedes Quartal Milliardengewinne ein und hat seinen Bestand an US-Staatsanleihen auf 157 Mrd. Euro ausgebaut. Allein von April bis Juni wurden weitere 13,4 Mrd. Dollar an Stablecoins der Marke USDT geprägt. Bei einem Eigenkapital von 5,5 Mrd. Dollar hält Tether dank steter Gewinnzuflüsse auch 15 Tonnen Gold im Wert von 8,7 Mrd. Dollar sowie Bitcoin im Wert von 9,5 Mrd. Dollar. Die von der Offshore-Regulierung (Virgin Islands, El Salvador) begünstigte Tether ist damit die viel beschworene Gelddruckmaschine.

Donald Trump liebt Stablecoins

Einziger Wermutstropfen: Sobald US-Präsident Donald Trump seine Zinssenkungen kriegt, wird es weniger profitabel im Markt für Dollar-Stablecoins. Für Trump haben Stablecoins geo- und finanzpolitische Bedeutung, bewirken sie doch eine weitere Dollarisierung des Finanzmarktes und sorgen für zusätzliche Nachfrage bei US-Staatsanleihen, bringen also Heilung am wunden Punkt der staatlichen Refinanzierung. Auch wenn Trump mit Finanzminister Scott Bessent als duo infernale reichlich Bruchware verursacht auf dem Weg zu ihren Zielen, so sind sie doch kurzfristig erstaunlich erfolgreich.

Regulatorisch ein Vorreiter, ist Europa doch schon wieder abgehängt

Und wo bleibt Europa bei der ganzen Stablecoin-Zauberei? Wir haben zwar mit der Micar einen rechtlichen Rahmen geschaffen für Stablecoins, der aber so eng gezogen ist, dass nur ein Schnarchladen entstanden ist. Das Circle-Produkt EURC ist mit 188 Mill. Euro Volumen der führende Euro-Stablecoin, während verschiedene Regulatoren noch darum ringen, wie Stablecoins als Zahlungsmittel für Payment Service Provider (PSPs) nun genau zu definieren sind. Es ist erbärmlich. Und der Blick nach Brüssel offenbart, dass der Stablecoin-Konkurrent Digitaler Euro bewegungslos in politischer Bürokratie gefangen ist. Es ist erbärmlich.

Hohe Stablecoin-Verzinsungen von Nicht-Banken bedrohen die Einlagenbasis der Banken. Das gefährdet die Finanzstabilität.