Notiert in Brüssel

Streit über Hohenzollern

Im politischen Brüssel wimmelt es vor Missverständnissen. Aus hohem Zoll wird rasch Hohenzollern. Vor allem, wenn Transskriptionssoftware zum Einsatz kommt.

Streit über Hohenzollern

Notiert in Brüssel

Streit über Hohenzollern

Von Detlef Fechtner

Transkriptionssoftware ist die wichtigste Erfindung zur Erleichterung des redaktionellen Alltags seit der Schreibmaschine. Stundenlanges Abtippen entfällt. Der Redakteur muss den Bruttotext nur noch stutzen und in Form bringen.

So weit die Theorie. In der Praxis gibt es zwei Kategorien von Gesprächspartnern. Die Einen fallen sich selbst ins Wort, murmeln, brechen Sätze ab. Und eigentlich ist jeder Satz eine einzige Geduldsprobe: Der Zuhörer wartet auf das Verb. Kleiner Tipp unter Kollegen: Bei solchen Gesprächspartnern am besten auf die Transkriptionssoftware verzichten, vielmehr einfach neue Sätze erfinden, die ausdrücken, was der Gegenüber sagen wollte. Er wird in neun von zehn Fällen die ausgedachten Zitate freigeben und sich freuen, wie klar er zu formulieren imstande ist.

Peinliche Verhörer

In der zweiten Kategorie finden sich diejenigen, die ohne jeden Anlauf gestochen scharf formulieren, quasi druckreif. Bei ihnen entfaltet die Transkriptionssoftware ihre ganze Effizienz. Die Nachbearbeitung beschränkt sich auf Satzzeichen. Aber Obacht: Eingelullt von der brillanten Rhetorik des Gesprächspartners kann man das eine oder andere Missverständnis übersehen. Denn auch Software hört manchmal anderes als das, was tatsächlich gesagt wurde.

So tauchte jüngst in einer Abschrift eines Gesprächs über den EU-US-Handelskonflikt zweimal der „Streit über Hohenzollern“ auf. Sie ahnen es: Natürlich ging es um den „Streit über hohen Zoll“. Anderes Beispiel: In der Staatsschuldenkrise waren peinliche Verhörer gang und gäbe. Etwa als sich der damalige Bundesfinanzminister gegen einen Schuldenschnitt Griechenlands zu Lasten staatlicher Gläubiger aussprach, also gegen ein Official Sector Involvement – oder wie der englische Begriff abgekürzt wurde: „gegen ein OSI“. Was anschließend die Schlagzeile provozierte: „Schäuble gegen rohes Ei“.

Fahrlässige Missverständnisse

Natürlich gibt es im politischen Betrieb der EU auch Schelme, die es darauf anlegen, missverstanden zu werden. Jean-Claude Juncker etwa hatte die Laune, in seiner Zeit als Eurogruppenchef einzelne Fragen der Journaille mit „Oui-Non“ zu beantworten, also mit „Ja-Nein“. Im Sinne von: Suchen Sie es sich doch selbst aus!

Und dann gibt es noch die unabsichtlichen, aber fahrlässig verschuldeten Missverständnisse. Zum einen, wenn EU-Beamte ungeschickterweise sehr unterschiedliche Dinge mit gleichem Akronym bedenken: Warum nennt man die „Kapitalmarktunion“ KMU, wenn doch schon die Kleinen und mittleren Unternehmen so abgekürzt werden? Warum tauft man die EU-Verteidigungsstrategie EDIS, wenn doch schon die umstrittene EU-Einlagensicherung so heißt? Zum anderen, wenn einzelne EU-Politiker so starken heimischen Dialekt sprechen, dass beim besten Willen kaum jemand verstehen kann, worauf der Vortragende hinauswill. So war das beim früheren EU-Kommissar Charlie McCreevy der Fall, der ein so breites Irisch sprach, dass selbst die britischen Kollegen Kopfhörer aufsetzten, um der französischen Simultan-Dolmetscherin zu folgen.