KommentarKonzentration in der Süßwarenbranche

Süßes kaufen ohne Scham

Das Familienunternehmen Ferrero steht offenbar vor der Übernahme des US-Cerealienanbieters Kellogg. Schaut man auf den Preis, ist es ein günstiger Zeitpunkt für die Italiener, um ihre Position in Nordamerika zu stärken.

Süßes kaufen ohne Scham

Kommentar

Süßes kaufen ohne Scham

Von Martin Dunzendorfer

Heutzutage erscheinen 3 Mrd. Dollar für eine Unternehmensübernahme kaum noch als beachtenswerte Größe. Auch nicht in der Lebensmittelindustrie, wo Preise in dieser Höhe schon für kaum aus den Startlöchern gekommene Startups ohne nennenswerte Vertriebswege bezahlt werden, wenn deren Produkte nur gerade den (Geschmacks-)Nerv der Zeit treffen.

Dennoch wundert es im ersten Moment, dass der italienische Süßwarenproduzent Ferrero (Nutella, Rocher, Duplo) für den US-Frühstücksflockenhersteller WK Kellogg, der für das Nordamerikageschäft mit bekannten Marken wie Choco Krispies, Froot Loops und Frosties steht, nicht mehr als gut 3 Mrd. Dollar auf den Tisch legen muss.

Die Übernahme von WK Kellogg beschert dem für seine Verschwiegenheit bekannten Familienunternehmen Ferrero auf einen Schlag ein ordentliches Standbein im nordamerikanischen Cerealienmarkt. Überhaupt will Ferrero in Nordamerika wachsen, wie Firmenchef Giovanni Ferrero unterstrich.

Kurssprung um mehr als 50 Prozent

Die Aktie von WK Kellogg hatte nach der Abspaltung von der Kellogg Company (heute: Kellanova) im Oktober 2023 zunächst haussiert: Der Kurs stieg vom Tief bei 10 Dollar bis zum Frühjahr 2024 auf 24 Dollar. Dann folgte eine scharfe Korrektur. Seit einem Jahr pendelte die Notierung die meiste Zeit zwischen 16 und 21 Dollar. Jetzt bieten die Italiener 23 Dollar pro Aktie und zahlen in bar.

Kellanova steht derweil selbst vor der Übernahme durch Mars. Im Juni hatte eine 36 Mrd. Dollar schwere Offerte die Zustimmung der US-Kartellbehörden erhalten.

Cerealienmarkt stark fragmentiert

Der Süßwaren- und speziell der Frühstücksflockenmarkt sind stark fragmentiert, zudem ist der Kellogg-Käufer Ferrero im Cerealiengeschäft bislang kaum in Erscheinung getreten. Daher dürfte es keine kartellrechtlichen Probleme geben.

Zwei Großaktionäre haben ihre Anteile von zusammen 21,7% bereits angedient. Entsprechend optimistisch geben sich die beiden beteiligten Unternehmen beim Zeitrahmen: Der Abschluss der Übernahme soll noch in diesem Jahr erfolgen.

Ein Bieterkampf mit einem weiteren Interessenten wäre ohnehin fraglich. Es gibt zwar eine Reihe von kapitalstarken Lebensmittelanbietern – z.B. Nestlé, Mondelez und der Mischkonzern Unilever –, die WK Kellogg quasi aus der Portokasse bezahlen könnten, doch fast alle haben einen Weg eingeschlagen, der weit entfernt von einem Unternehmen verläuft, das mehrheitlich stark zuckerhaltige Nahrungsmittel anbietet. Denn der Trend geht – der veränderten Nachfrage von Verbrauchern folgend – schon seit langem zu vermeintlich gesundheitsfreundlicheren Produkten; Geschäfte mit Süßwaren werden abgespalten oder verkauft, nicht gekauft.

Günstige Zeit für Akquisitionen

Unter den großen Spielern haben nur Mars und Ferrero keine Probleme mit zuckerhaltigen Schokoriegeln, Pralinen oder Brotaufstrichen – kein Wunder, ist es doch ihr Kerngeschäft. Da kommt es gelegen, dass der Konsolidierungsdruck insbesondere für kleine und mittlere Süßwarenproduzenten steigt. So können die Großen der Branche zu erschwinglichen Preisen ihr Portfolio ausbauen – was diese auch tun, wie sich an den zahlreichen Akquisitionen ablesen lässt.