Trumps Taktik von Eskalation und Unberechenbarkeit
Trumps Taktik aus Eskalation und Unberechenbarkeit
Ökonomen warten auf
den Rückschlag für
US-Präsident Trump. Doch der verführt die Märkte immer wieder aufs Neue.
Von Stephan Lorz, Frankfurt
Die Wahlkämpfe von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten stets eines zum Ziel: asymmetrische Demobilisierung und Umarmung. Potenzielle Wähler des politischen Gegners sollten durch Umgehen kontroverser Themen so demotiviert werden, dass sie am Wahltag zu Hause bleiben. Das ist Merkel weitgehend gelungen – hat die Politik der etablierten Parteien aber zu einer amorphen Masse ohne klaren Kurs gemacht. Profilbildung ging verloren, Abgrenzungen wurden unscharf. Das ist man sich jetzt schmerzlich bewusst.
US-Präsident Donald Trump macht das Gegenteil: symmetrische Eskalation und Unberechenbarkeit. Er ist mit Blick auf seinen Umsetzungsrekord und seine autokratische Stellung noch erfolgreicher. Zudem nehmen die Märkte seine Tiraden inzwischen hin, innenpolitische Gegner scheinen gelähmt, weil ständig in die Verteidigungshaltung gezwungen; Handelspartner knicken ob seiner Zollforderungen ein, kuschen oder biedern sich an.
Wie lange geht das noch gut?
Die Frage ist, wie lange sich Trump seine Eskalationen weiter erlauben kann. Denn Ökonomen sind sich sicher, Trump spielt mit dem Feuer, zumal er mit seinen jüngsten Gesetzen seine Wählerschaft geradezu verraten hat: Die Zollpolitik führt zu enormen Preissprüngen, seine „Big Beautiful Bill“ zu einer Umverteilung von Arm nach Reich samt Versicherungsverlust weiter Bevölkerungskreise, seine Migrationspolitik nimmt Fabriken und Bauern die Arbeitskräfte, und steigende Haushaltsdefizite gefährden den Finanzmarkt und den Dollar als Leitwährung.
Das Problem: Die Welt hat sich so lange an die ökonomische US-Dominanz gewöhnt, dass jede Entwöhnung auch gewaltige Entzugserscheinen mit sich bringt. Die Abhängigkeiten sind also beiderseitig. Die Weltfinanzmärkte brauchen noch lange den US-Finanzmarkt als zentralen Anker. Eine Erschütterung würde direkt in eine neue Finanzkrise führen.
Beiderseitige Abhängigkeit
Das weiß Trump natürlich – und erhöht den Einsatz: Ein Einbruch der internationalen Kapitalströme hätte für die US-Wirtschaft natürlich dramatische Konsequenzen, zumal das Land permanent über seine Verhältnisse lebt. Wenn die Zinsen aber zu stark steigen, der Dollar abstürzt und Finanzinvestoren den Markt fluchtartig verlassen, sitzen die Gläubiger allerdings genauso in der Patsche wie die Schuldner. Dieses Wissen kalmiert das internationale Kapital.
Und was tut Trump? Er eskaliert weiter und lenkt ab: Die Hatz auf politische Gegner wird verstärkt, ihnen die Schuld an allen Auswüchsen seiner Politik zugeschoben. Obama, Biden, Harris, Powell, die Harvard-Universität oder die ganze EU im Fadenkreuz. Während die US-Regierung zugleich den Rassismus hochleben lässt, ganze Bibliotheken und Lehrpläne zensiert, wirft man Europa etwa „orwellsche Zensur“ vor, wie jetzt das US-Außenministerium. Das trifft direkt in das kulturelle Selbstverständnis der Region und lähmt die Akteure, zumal die EU mit Blick auf Ungarn ja nicht geeint ist.
Taktische Finesse
Zugleich kalmiert Trump seinen gefährlichsten „Gegner“, die Finanzmärkte, indem er ihnen neue Erträge (oder Subsidien?) verspricht: Nach Künstlicher Intelligenz sind das neuerdings Kryptowährungen wie Stablecoins. Ein verführerischer Billionenmarkt, der Finanz- und Digitalkonzerne elektrisieren soll – und von dem natürlich auch die Trump-Familie unmittelbar profitiert. Selbstredend auch der Fiskus, der sich darüber günstiger verschulden kann.
Womöglich hält Trump damit noch viel länger durch, als es die Lehrbücher der Ökonomen prognostizieren. Vielleicht schafft die EU bis dahin mit dem digitalen Euro ja ein eigenes Gegenstück zum Stablecoin und kann sich als Groß- und Militärmacht heranbilden, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft fordert? Trumps Motto jedenfalls scheint aufzugehen: The Show Must Go On! Sobald ein Stück abgesetzt ist, wird das nächste angekündigt. Nach dem Stablecoin nun Raumfahrtpolitik? Trumps Machtanspruch auf den Mond? Ein Multi-Trillionen-Markt!