LEITARTIKEL

Verloren im Mittleren Westen

Der Anblick einer deutschen Werkzeugmaschine kann in den Augen eines chinesischen Industriellen ähnlichen Glanz erzeugen wie eine Louis-Vuitton-Handtasche bei seiner Frau. Natürlich ist das ein übles Klischee, aber es enthält einen wahren Kern....

Verloren im Mittleren Westen

Der Anblick einer deutschen Werkzeugmaschine kann in den Augen eines chinesischen Industriellen ähnlichen Glanz erzeugen wie eine Louis-Vuitton-Handtasche bei seiner Frau. Natürlich ist das ein übles Klischee, aber es enthält einen wahren Kern.Fertigungstechnik Made in Germany hat im Reich der Mitte Kultstatus. Davon profitiert Deutschlands Vorzeigebranche, die sich am 16. und 17. Oktober in Berlin auf dem Maschinenbaugipfel zur Nabelschau trifft. China, die globale Werkbank, hat zentrale Bedeutung für die Maschinenbauer, deren Geschäftsmodell seit jeher die Ausrüstung der Welt mit Fertigungstechnik ist. Drei von vier Anlagen werden exportiert, und China steht an der Spitze der ausländischen Abnehmer. Jedes zehnte Gerät, das in Deutschland für den Export gebaut wird, geht in Xi Jinpings Imperium.Nur die USA nehmen ähnlich viel ab. Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt haben naturgemäß auch den größten Maschinenbedarf, und es ist die größte Stärke des deutschen Mittelstands, dass er davon zu profitieren versteht. Der eskalierende Handelsstreit zwischen den zwei Weltmächten verheißt für die deutschen Maschinenfabrikanten allerdings wenig Gutes. Die rund 6 000 Hersteller müssen fürchten, in der Auseinandersetzung zwischen den USA und China, die mit Zöllen auf ein handelspolitisches Instrument von gestern setzen, zum Kollateralschaden zu werden.Der Jubel über die Reindustrialisierung im Rust Belt der Vereinigten Staaten dürfte bald überlagert werden vom Jammern über immer mehr Sand im Getriebe der globalisierten Weltwirtschaft. Die Mär, die da lautet, die Politik von US-Präsident Donald Trump sei auch gut für deutsche Produktionstechnikhersteller, weil amerikanische Unternehmen nun mehr deutsche Maschinen kauften, wird bald als Milchmädchenrechnung entlarvt werden.Richtig ist schon eher, dass für jede deutsche Maschine, die in Amerika zusätzlich gekauft wird, eine Anlage wegfällt, die bislang in China aufgestellt wurde und die Ware zum Export für den US-Markt produzierte. Die Gesetze der Globalisierung haben dazu geführt, dass traditionell mit deutschen Maschinen in aller Herren Länder – und vor allem in China – Güter hergestellt werden, die bei US-Verbrauchern landen. Protektionismus wird daher in Summe nicht zu einem Wachstum für die Deutschen führen, sondern zur Verlagerung.Dabei haben die Deutschen viel zu verlieren, denn eine Verschiebung vom Fernen Osten in den Mittleren Westen ist für sie kein Nullsummenspiel. US-amerikanische Maschinenkäufer sind, wie viele hiesige Mittelständler wortreich beklagen, schwierige Kunden. Während sich Abnehmer aus aller Welt in der Regel mit den hohen deutschen Standards zufriedengeben, machen die berüchtigten nichttarifären Handelshemmnisse den Deutschen in den USA das Leben schwer.Wer Maschinen an Amerikaner verkaufen will, muss deren Standards beachten. Hier steckt der Teufel im Detail: andere Farben für Erdungskabel, andere Höhen für Not-Aus-Schalter, andere Prüfung für Druckbehälter, Witworth-Gewinde statt metrischer Gewinde und, und, und. Das mache eine Exportmaschine für die USA bis zu 20 % teurer, hat Maschinenbau-Präsident Carl Martin Welcker schon gejammert, bevor Trump Präsident wurde. Das wird an den Gewinnmargen der Deutschen knabbern.Zerreißen wird es die Maschinenbauer dadurch aber nicht. Zwar kann der Anblick deutscher Luxusautos auf der Fifth Avenue bei Trump Hasstiraden auslösen. Aber er dürfte, solange er ganz bei Trost ist, kaum auf die Idee kommen, auch noch deutsche Maschinen in amerikanischen Fertigungshallen zu brandmarken. Wer Produktion in God’s own country zurückholen will, hat kaum eine andere Wahl, als Dollar in Technik aus Germany zu investieren. In rund der Hälfte von 31 Maschinenbaufachzweigen hat Deutschland die Nase vorn, darunter bei Geräten für die Fabrikausrüstung wie Werkzeugmaschinen, Antriebstechnik und Gabelstaplern.Grob gesagt sind US-Maschinenbauer global vor allem dort Spitze, wo rohe Kräfte walten, etwa bei Traktoren und Bergbaumaschinen. Zur Produktion von Chevrolets, Harley-Davidsons und iPhones ist solch brachiales Gerät wenig hilfreich. Produktionsmaschinen Made in USA sind Mangelware. Auf dem Maschinenbaugipfel in Berlin wird man sich trotzdem die Köpfe heißreden, wie die Deutschen im US-Geschäft weiter gutes Geld verdienen können.—–Von Daniel SchauberDer deutsche Maschinenbau droht im Handelsstreit zwischen den USA und China zerrieben zu werden. Der Protektionismus knabbert an den Margen.—–