Notiert inLondon

Neues aus Nimmerland: Viertagewoche

Die Viertagewoche in der Lokalverwaltung von South Cambridgeshire sorgt für Furore. Dabei geht es um Mitarbeiterbindung, nicht um Privilegien.

Neues aus Nimmerland: Viertagewoche

Notiert in London

Neues aus Nimmerland

von Andreas Hippin

In South Cambridgeshire muss man nur an etwas glauben, damit es passiert. Es ist das neue Nimmerland, in dem sich Peter Pan wie zuhause fühlen dürfte. Die Region genießt schon viele Tage strahlenden Sonnenschein und mediterrane Temperaturen. Liz Watts, CEO des South Cambridge District Council, traf wohl auch deshalb den Nerv der Zeit, als sie die Einführung der Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich ankündigte. Zumindest bei den rund 700 Mitarbeitern in den Büros und Entsorgungsbetrieben der Lokalverwaltung.

Die Bürger, von denen die Arbeitszeitverkürzung über die Gemeindesteuer bezahlt wird, sind weniger begeistert. Das zeigt sich in ihren Meinungsäußerungen im Zuge einer öffentlichen Konsultation. Weniger als ein Viertel unterstützte die Viertagewoche. Fast ein Drittel sprach sich der „Times“ zufolge dagegen aus. Sie ärgern sich über ähnliche Dinge wie viele Bürger in Deutschland: höhere Steuern und Abgaben, Öffnungszeiten der Behörden, die sich mit der eigenen Arbeitszeit überschneiden, Anfragen per Email oder Telefon, die unbeantwortet bleiben. Bei neun der angebotenen Dienstleistungen war ein statistisch signifikanter Rückgang der Kundenzufriedenheit feststellbar.

„Weniger für mehr“

„Weniger für mehr“, lautete der Titel des Kommentars der „Times“ dazu. Die Gebietskörperschaft gebe dem Land mit der Viertagewoche „ein desaströses Beispiel“. Und natürlich ist die Annahme, die Mitarbeiter freuten sich derart über die zusätzliche Freizeit, dass sie den Arbeitszeitausfall durch mehr Effizienz und Intensität wieder wettmachen, mehr als naiv. Nicht alles lässt sich mit Hilfe von künstlicher Intelligenz beschleunigen. Bürger erwarten, auf menschliche Ansprechpartner zurückgreifen zu können, wenn online etwas unklar ist. Mülleimer werden nicht vom Kollegen Roboter geleert.

Doch hört man auf die Liberaldemokratin Bridget Smith, die dem Council vorsteht, hatte die Lokalverwaltung große Probleme bei der Rekrutierung von Mitarbeitern und dabei, diese zu halten. Man habe mit privaten Arbeitgebern im Wettbewerb gestanden, die mehr bezahlen – und das in einer Region mit einer hohen Beschäftigtenquote und hohen Wohnkosten. Dank Viertagewoche habe man eine größere Konsistenz in der Belegschaft, weil es weniger Turnover gebe und weniger krankheitsbedingte Fehlzeiten.

Rege Forschungstätigkeit

Unabhängige Untersuchungen von drei Universitäten hätten belegt, dass die Qualität der meisten Dienstleistungen besser geworden oder gleich geblieben sei, sagte Smith. Watts arbeitet übrigens an einer Doktorarbeit zum Thema Viertagewoche. Aber das hat selbstverständlich nichts mit dem Interesse der Lokalverwaltung daran zu tun.

Der jüngste Feldversuch der 4 Day Week Foundation endete damit, dass alle 17 teilnehmenden Organisationen die Viertagewoche beibehalten wollen, darunter Firmen wie Rivelin Robotics aus Sheffield. Die Euphorie lässt jedoch nach: Vor drei Jahren beteiligten sich noch 61.

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