KommentarFührung ohne Verantwortung?

Weniger Netz und doppelten Boden

Steigende Einkünfte von Führungskräften werden oft mit hoher persönlicher Verantwortung begründet. Wenn etwas schief läuft, wollen viele davon nichts mehr wissen.

Weniger Netz und doppelten Boden

Manager

Teuer bezahlt für billige Ausreden

Von Sebastian Schmid

Steigende Einkünfte von Führungskräften werden oft mit hoher persönlicher Verantwortung begründet. Wenn etwas schief läuft, wollen viele von Verantwortung aber nichts mehr wissen.

Es ist ärgerlich, wenn ein Lebenswerk scheinbar binnen Monaten in sich zusammenfällt. Jedenfalls dürfte das ein Grund sein, warum Klaus Josef Lutz, der eineinhalb Jahrzehnte an der Spitze der Baywa stand, sich als „Sündenbock“ sieht. Er als Ursache für die existenzielle Krise des Konzerns? Das könne er nicht länger akzeptieren. Er fühle sich zutiefst verletzt aufgrund der persönlichen Angriffe nach 15 Jahren Erfolg, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Schließlich hätte er den Auftrag des Aufsichtsrat gehabt, den Konzern zu globalisieren und international aufzustellen. Ein CEO, der die Strategie festgelegt und den Konzern eine gefühlte Ewigkeit lang geprägt hat, will also lediglich ein Rädchen in der großen Entscheidungsmaschine der Baywa gewesen sein? Wohl kaum.

Nun muss man Lutz deswegen nicht gleich komplettes Missmanagement vorwerfen. Über eineinhalb Dekaden waren sicher auch gute Entscheidungen dabei. Nur wurde eben mit einem Teil der Entscheidungen letztlich auch der Boden für den Niedergang des Agrarkonzerns bereitet, der kurz vor der Überschuldung steht. Das Risiko, dass etwas schiefgehen kann, wohnt jeder unternehmerischen Entscheidung inne. Und jeder Person in Verantwortung ist das auch bewusst. Nur scheint es so, als ob für viele Führungskräfte nichts schlimmer ist, als sich einzugestehen, dass sie an einem bestimmten Punkt falsch abgebogen sein könnten. In der Politik ist es schon lange üblich – nicht erst seit Jens Spahn und den Maskendeals. Aber auch im Management kommt es aus der Mode, für seine Entscheidungen im Falle eines Misserfolgs geradezustehen.

Um persönlich abgesichert zu sein, zählt eine D&O-Versicherung längst zum Standard. Und damit später nicht der Vorwurf der Fahrlässigkeit erhoben werden kann, wird für fast jede Entscheidung ein Berater hinzugezogen. Insofern ist es verständlich, dass der ehemalige Baywa-Chef und Präsident der Bayerischen Industrie- und Handelskammer sich unfair angegangen fühlt. In einer Zeit, in der niemand mehr Verantwortung tragen will, wird ausgerechnet er herausgegriffen und verantwortlich gemacht. Dabei liegt genau hier das Problem. Für gute Führung braucht es mehr statt weniger persönliche Verantwortung. Das gilt ganz besonders für hochbezahlte Vorstände.

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