London

Wer hat Angst vorm British Bulldog?

„Papa, was ist British Bulldog? Warum darf man das nicht spielen?“ Wer ein Kind in der Grundschule hat, muss sich mit reichlich Fragen auseinandersetzen. In diesem Fall geht es um ein Schulhofspiel, das sich am ehesten mit „Wer hat Angst vorm...

Wer hat Angst vorm British Bulldog?

„Papa, was ist British Bulldog? Warum darf man das nicht spielen?“ Wer ein Kind in der Grundschule hat, muss sich mit reichlich Fragen auseinandersetzen. In diesem Fall geht es um ein Schulhofspiel, das sich am ehesten mit „Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?“ vergleichen lässt. Viele britische Schulen haben es verboten. Darin spiegelt sich eher die wachsende Risikoaversion der Rektoren wider als die Verletzungsgefahr bei solchen Laufspielen. Die Regeln sind einfach und variieren von Ort zu Ort. Der Fänger (oder: Bulldog) steht in der Mitte des Spielfelds, die Mitspieler versuchen, an ihm vorbei auf die andere Seite zu kommen. Schafft es der Fänger, einen Mitspieler hochzuheben oder ihn solange festzuhalten, bis er „Bulldog“, „British Bulldog – eins, zwei, drei“ oder irgendetwas anderes gerufen hat, wird der Gefangene selbst zum Fänger. Sobald mehrere Bulldogs unterwegs sind, wird das Spiel sehr körperlich.

In dem Land, das Rugby hervorgebracht hat, wusste man das lange Zeit zu schätzen. Die Kinder konnten in den Pausen überschüssige Energie ablassen. Es stärkte den Wettbewerbsgedanken und zu­gleich den Teamgeist, denn gemeinsam konnten die Fänger mehr Mitspieler konvertieren. Auch die körperlich stärksten Spieler wurden mit Bulldogs nicht fertig, die zusammen agierten. Natürlich gab es blutige Knie, zerrissene Schuluniformen und ab und an auch Tränen. Trotzdem hielt man es lange Zeit nicht für nötig, das Spiel zu untersagen. Es gibt unzählige Varianten. Wer das Glück hatte, in den 1980er Jahren aufzuwachsen, dürfte einige davon kennen. Natürlich wurde das Spiel auch dazu genutzt, persönliche Abrechnungen unter dem Deckmantel des Spielens vorzunehmen. Doch gab es ja auch noch Lehrer, die während der Pausen die Aufsicht über den Schulhof hatten und das Schlimmste verhinderten. Dennoch gab es tragische Unfälle. An einer Grundschule in Twickenham erlitt eine Achtjährige eine tödliche Leberverletzung, als sie von einem Jungen umgerannt wurde, der gerade einen anderen Bulldog-Spieler verfolgte und dabei einem weiteren Kind ausweichen wollte.

Mittlerweile hat die Toleranz für Verletzungen deutlich nachgelassen. An manchen Schulen sind derweil auch andere Fangspiele und selbst das Rennen über den Schulhof verboten. British Bulldog war schon vor zehn Jahren an mehr als einem Viertel der Schulen untersagt. Doch sichern sich Lehranstalten damit lediglich rechtlich ab und überlassen die Aufsicht danach oft Hilfskräften. Die Lehrer heißen das Verbot übrigens nicht unisono gut. Viele glauben, die große Risikoaversion führe dazu, dass Kinder nicht richtig auf das Leben vorbereitet werden. Natürlich wird das Spiel für die Schüler durch Verbote nur interessanter. Man muss nur wissen, wie man sie umgeht: „Wer hat Lust auf eine Runde Hotdog?“, fragte neulich der Trainer im Club nach dem Unterricht. Und die Kinder suchen öfters nach Mitspielern für „Wuff-Wuff“. Auf diese Weise lernen sie ein Grundprinzip des britischen Rechts: Alles ist erlaubt, was nicht explizit verboten ist.

Andere Spiele von einst, die dem „Safetyism“ zum Opfer fielen, lassen sich dagegen nicht so einfach unter anderem Namen in den Schulalltag schmuggeln. Dazu gehört das angeblich erstmals 1848 auf der Isle of Wight gespielte Conkers. Es wird mit Rosskastanien gespielt, die man zuerst einmal sammeln muss. Man bohrt ein Loch durch jede Kastanie und zieht einen Schnürsenkel hindurch, der auf einer Seite verknotet wird. Dann versuchen die Spieler, mit ihrem Conker die Kastanie des Gegners zu zerstören. Der Sieger erhält einen Punkt. In der Regel gewinnen die härtesten Kastanien.

Über die Jahre wurde eine ganze Reihe von Tricks entwickelt, um die Samen zu härten. Transparenter Nagellack, Einlagerung bis zum kommenden Jahr und Backen gehören dazu. Schulleiter sehen Conkers nicht gerne. Ihr Argument neben der Verletzungsgefahr: Die Kastanien könnten bei Auseinandersetzungen unter Schülern als Waffen genutzt werden. Da ist es kein Wunder, dass das Spiel an Popularität verliert. Die World Conker­ Championships finden aber nach wie vor alljährlich in South­wick­­, Northamptonshire statt.1976 ging der Titel erstmals ins Ausland – an den Mexikaner Jorge Ramirez.