Wohneigentum: Mit Vollgas in die Schuldenfalle
Großbritannien
Eigenheim als Schuldenfalle
von Andreas Hippin
Wohneigentum für Menschen, die es sich nicht leisten können, ist keine gute Idee.
Was aus dem Umfeld der britischen Schatzkanzlerin Rachel Reeves als Big Bang 2.0 angekündigt wurde, erwies sich am Ende als Tischfeuerwerk. Um den Wachstumsturbo zu zünden, reichen die eine oder andere kleine Reform hier und ein Stutzen des aufsichtsrechtlichen Wildwuchses nicht. Als völlig kontraproduktiv dürfte sich jedoch die Lockerung der Richtlinien für die Hypothekenvergabe erweisen.
Künftig sollen Erstkäufer eines Eigenheims schon ab einem Jahreseinkommen von 30.000 Pfund ein Immobiliendarlehen beantragen können. Bislang lag die Untergrenze bei 35.000 Pfund. Die Schwelle für Paare mit zwei Einkommen wurde entsprechend angepasst. Schon im ersten Jahr werden auf dieser Grundlage nach Schätzung des Schatzamts mehr als 36.000 zusätzliche Hypotheken vergeben.
Weit von Wohnungsbauzielen entfernt
Doch auf dem britischen Wohnimmobilienmarkt gibt es seit Jahren kein Nachfrage-, sondern ein Angebotsproblem. Menschen mit geringem Einkommen sollten nicht gezwungen sein, sich bis über beide Ohren zu verschulden, um irgendwo wohnen zu können. Aber die Regierung ist weit davon entfernt, die ambitionierten Wohnungsbauziele zu erreichen, mit denen Labour 2024 in den Wahlkampf zog.
Die Profiteure dieser Politik sind diejenigen, die bereits Wohneigentum besitzen. Denn die zusätzliche Nachfrage treibt den Wert ihrer Immobilien weiter nach oben. Das mehrt auch den Wohlstand vieler Mitglieder der Labour-Führung, die über Häuser in beliebten Londoner Vierteln verfügen. Premierminister Keir Starmer gehört dazu. Im Mai stieg der durchschnittliche Preis eines Eigenheims in Großbritannien um 3,9%. Das dürfte sich fortsetzen.
Thatcher gab schlechtes Beispiel
Eine Labour-Regierung sollte bessere Lösungen für die Wohnungsnot vorlegen als Maßnahmen, die die Preise noch weiter nach oben treiben. In Großbritannien ist ohnehin schon viel zu viel Kapital in Immobilien gebunden. Wer Menschen mit Wohneigentum lockt, das sie sich nicht leisten können, treibt sie in die Schuldenfalle. Das zeigte sich schon, als Margaret Thatcher Sozialwohnungen unter dem Motto „Right to Buy“ an ihre Bewohner verkaufte. Die wenigsten von ihnen leben noch in den so erworbenen Eigenheimen.
Und noch etwas: Zu den Gründen dafür, dass der britische Staat bei seiner großzügigen Schuldenaufnahme bislang keine Probleme hatte, gehören die soliden Finanzen der privaten Haushalte und Unternehmen. Leben auch sie künftig über ihre Verhältnisse, könnte es schwieriger werden, Staatsanleihen zu platzieren.