Absicherung: Der neue Trend an Europas Börsen
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Absicherung: Der neue Trend an Europas Börsen
Von Thomas Altmann
Die Aktienmärkte haben sich von dem durch die US-Zölle induzierten Ausverkauf von Anfang April beeindruckend schnell erholt. Innerhalb von nur sechs Wochen ist der Stoxx Europe 600 um fast 20% angestiegen. Doch immer mehr Anleger misstrauen dieser Erholung. Absicherung ist das Gebot der Stunde. Put-Optionen werden in Rekordtempo gekauft.
Auf den eben beschriebenen Stoxx Europe 600 sind aktuell mehr als 1 Million Put-Kontrakte im Umlauf. Das ist gleichbedeutend mit dem höchsten je gemessenen Put Open Interest auf diesen Index. Diesen Puts stehen gerade mal 260.000 Call-Optionen gegenüber. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufoptionen war nie größer.
Put-Konzentration beim Dax
Auch der Blick auf den Dax offenbart aktuell eine spannende Optionsstruktur – mit einem deutlichen Übergewicht an Put-Optionen. Eine Analyse der einzelnen Optionen zeigt, dass die 28 größten offenen Optionspositionen aktuell allesamt Puts sind. Erst auf Rang 29 steht der erste Call. Unter den 50 größten Optionspositionen finden sich gerade mal acht Calls – 42 sind Puts.
Das Volumen-Verhältnis zwischen Puts und Calls liegt aktuell bei 2,6. Und damit im Bereich der historischen Extremwerte. Langfristig liegt das Put-Volumen nur beim 1,5-fachen Call-Volumen.
Offensichtlich glauben immer weniger Anleger an eine Fortsetzung der Rally und weitere Rekordstände. 29 Allzeithochs hat der Dax in diesem Jahr bereits erklommen – nur eines weniger als im 1. Halbjahr des vergangenen Jahres.
Teure Bewertung
Sorgen dürfte den Investoren am deutschen Aktienmarkt vor allem der mit dem Kursanstieg einhergegangene Anstieg der Bewertungen machen. Das historische Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt mittlerweile bei gut 18 – und damit vier Punkte höher als im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre. Auf Basis der zukünftig erwarteten Gewinne liegt das Dax KGV aktuell drei Punkte über dem historischen Mittel.
Von daher scheint die neue Vorsicht durchaus berechtigt zu sein. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass sich die zuletzt angehäuften Put-Bestände auch auszahlen werden. Denn bei Optionen spielt das Timing eine ganz entscheidende Rolle. Im Februar und März dieses Jahres wurden schon einmal bedeutende Put-Bestände auf den Dax aufgebaut. Ein großer Teil davon ist allerdings mit dem März-Optionsverfall ausgelaufen. Im unmittelbar folgenden Ausverkauf Anfang April waren diese Positionen entsprechend nicht mehr im Markt. Bei den aktuellen Put-Beständen ist eine Konzentration auf den Juni Verfall zu beobachten. Die vier größten Optionen bzw. neun der 13 größten Optionen verfallen im Juni. Insgesamt steht der Juni-Verfall aktuell für 49% aller ausstehenden Dax-Optionen. Damit sind diese Puts nicht nur eine Absicherung oder eine Wette auf fallende Kurse – sie sind auch ein Spiel gegen die Zeit.
Blick in die USA
Während sich in Europa Pessimismus breit macht, ist in den USA - nach der Underperformance in den ersten Monaten des Jahres 2025 – neuer Optimismus zu beobachten. Beim Tech-Index Nasdaq 100 sind die beiden größten ausstehenden Optionspositionen Calls. In den Top-15 Positionen sind mehr Calls als Puts vertreten. Das Verhältnis zwischen Put- und Call-Volumen liegt hier bei 1,1. Und damit unterhalb des historischen Mittels, das hier ebenfalls bei 1,5 liegt.
Dass sowohl die historische als auch die zukünftig erwartete Bewertung des Nasdaq 100 ebenfalls über den Werten der Vergangenheit liegen, scheint den neuen US-Optimismus nicht zu trüben.
An den Optionsmärkten findet bereits eine Rotation zurück in die US-Indizes statt. Ob das der Beginn einer dauerhaften Trendwende ist, bleibt abzuwarten. Ebenso bleibt offen, ob das Timing der europäischen Put-Käufer diesmal erfolgreicher ausfällt.
Zur Person: Unser Gastautor Thomas Altmann ist Leiter Portfoliomanagement bei QC Partners.