„Es entsteht dort Liquidität, wo vorher keine war“
Im Interview: Georges Bock
„Es entsteht dort Liquidität, wo vorher keine war“
Blockchain treibt die Retailisierung von Finanzmarktprodukten voran – Luxemburg mit neuem Gesetz – Erhebliches Kostensenkungspotenzial
Über die Blockchain ist es möglich, die Retailisierung von Finanzmarktprodukten weiter voranzutreiben. Das geht zu deutlich niedrigeren Kosten als bisher. Georges Bock, Gründer des Finanzdienstleisters Investre, zeigt im interview der Börsen-Zeitung auf, um was es dabei im Detail geht.
Herr Bock, Private Equity, Private Debt und aktiv verwaltete Infrastrukturfonds stoßen an Grenzen, wenn sie in den Retailmarkt vordringen wollen. Warum ist das so?
Diese Fonds waren historisch für institutionelle Anleger konzipiert. Es gibt hohe Mindestanlagesummen, geringe Liquidität, lange Laufzeiten und komplexe Strukturen. Man muss einerseits an den Kosten in Sachen Fondsvertrieb arbeiten und andererseits für eine höhere Liquidität von diesen Produkten sorgen. Mit Eltif 2.0 haben die Gesetzgeber versucht, einen Schritt weiter zu kommen auf der Produktebene, es braucht aber auch neue Technologien, die eine wesentliche Verbesserung der Prozesse mit sich bringen.
Sie sprechen die Kosten an. Wie lassen sich diese senken, und welche Technologien sind dafür entscheidend?
Natürlich lassen sich noch Stellschrauben an dem aktuellen System nachbessern, aber so wird der große Wurf nicht gelingen. Es braucht neue Technologien, um diese Ziele zu erreichen, und die Distributed-Ledger-Technologie - DLT - oder Blockchain können das leisten. Mit DLT lassen sich viele Prozesse automatisieren und viel effizienter gestalten: Zeichnung, Registrierung von Anteilsübertragungen, Ausschüttungen, regulatorische Prüfungen. Das bedeutet: Weniger Intermediäre, weniger Abstimmungen, weniger Fehler.
Was ist an DLT und der Blockchain als ein Teil der DLT das Revolutionäre?
DLT ist die erste Technologie, die eine gemeinsame, unveränderliche Datenbasis für alle Beteiligten schafft. Heute wird eine Transaktion vom Emittenten über den Zentralverwahrer oder den Transfer Agent über mehrere Depotstellen mit Hilfe von vielen Intermediären mehrfach in den Systemen der Akteure wie in einer Art Silos verbucht. Das bringt einen sehr hohen Abstimmungsaufwand und hohe Kosten für den Investor mit sich.
Was schafft die Blockchain dabei konkret?
Bei einer optimalen Einsetzung von Blockchain wird die Transaktion einmal verbucht, das heißt mit Unterstützung und Validierung aller Beteiligten in einem sogenannten Golden Record festgehalten und das wars. Blockchain-Eintragungen sind für alle Parteien sofort sichtbar, nachvollziehbar und manipulationssicher. Es braucht keinen zentralen Treuhänder mehr, weil die Infrastruktur und das transparente Zusammenarbeiten aller selbst Vertrauen schafft. Die Blockchain wird zur Abwicklungs- und Eigentumsplattform – das reduziert nicht nur erheblich Kosten, sondern macht Finanzprodukte sicherer und zugänglicher. Ein Madoff-Skandal, also ein Vorspielen falscher Tatsachen einer Partei, wird von den anderen Beteiligten unmöglich gemacht.
Luxemburg war schon in vielen Bereichen des Finanzmarktes in einer Pionierrolle wie zum Beispiel bei Green Finance, Ucits/OGAW. Nun wurde in Luxemburg vor kurzem das Blockchain-4-Gesetz verabschiedet. Was sind die Inhalte?
Wie der Name es schon sagt, ist es nun schon das vierte Gesetz in Sachen Blockchain und Finanzen. Die vorherigen Gesetze haben unter anderem die rechtsverbindliche Verwahrung von Fondsanteilen anhand der Blockchain-Technologie ermöglicht. Das hat dazu geführt, dass Franklin Templeton oder Hamilton Lane Fonds auf der Blockchain aufgelegt haben und regulierte Finanzdienstleister wie auch wir rund 3.000 OGAW Fonds Tokens für Kunden verwahrt haben. Dies, ohne jedoch das Prinzip des Golden Record nutzen zu können. Es blieb beim zweistufigen System mit zentralem und nachgeordneten Verwahrer, was trotz DLT immer noch Abstimmungen erforderte.
Und was ändert sich jetzt im Detail?
Blockchain 4 erlaubt erstmals die Ausgabe und Dematerialisierung von tokenisierten Fondsanteilen unter dem Golden Record Prinzip auf gesetzlicher Basis. Mit der Rolle des Control Agent kann ein Wertpapierinstitut die Registerführung auf Blockchain für den Emittenten übernehmen. Der Control Agent koordiniert den DLT-Registrierungsprozess für den Emittenten mit allen Beteiligten und den Investoren und schreibt die Transaktion auf der Blockchain ein. Er kontrolliert und übernimmt die Verantwortung für die DLT-Eintragungen. Somit entfällt die mehrfache Eintragung in Konten entlang der Vertriebskette und alles was damit einhergeht. Luxemburg schafft so einen regulatorisch sicheren Rahmen für vollständig digitalisierte Fondsstrukturen – was es europaweit einzigartig macht.
Was bedeutet das für Assetmanager im Umgang mit Anlegern, gerade im Kontext der Retailisierung?
Tokenisierte Fonds ermöglichen den direkten Kontakt zum Anleger, ohne die bisherige intransparente Lieferkette von Depotbanken oder Plattformen. Das bedeutet mehr Transparenz, schnellere Prozesse, individuellere Angebote. Blockchain hat das Potenzial, die Interaktion mit Kunden grundlegend zu transformieren.
Sie haben die Kosten ja bereits angesprochen. Welche Dimensionen haben denn die Kosteneinsparungen durch DLT konkret? Wo genau fallen weniger Kosten an?
Studien zeigen, dass 40 bis 60% der operativen Kosten eines Fonds eingespart werden können. Eine McKinsey-Studie geht sogar davon aus, dass die Einsparpotenziale im gesamten Kapitalmarkt durch DLT jährlich mehrere Milliarden Euro betragen könnten. Es geht also nicht um Optimierung, sondern um eine strukturelle Transformation.
Auf welchen Ebenen werden Kosten eingespart?
Zunächst sind es die operativen Prozesse. Viele Tätigkeiten, die heute manuell oder durch mehrere Parteien sequentiell ablaufen, kann die Blockchain effizienter gestalten. Abstimmungs- und Abgleichprozesse entfallen weitgehend, weil alle auf denselben Echtzeit-Datensatz zugreifen.
Was heißt das?
Tatsächlich eröffnet die Tokenisierung völlig neue Möglichkeiten für den Sekundärmarkt von alternativen Fondsanteilen. Bisher gab es für nicht-börsengehandelte Fonds – etwa PE- oder Immobilienfonds – keinen organisierten Sekundärmarkt. Wenn Anleger vor Laufzeitende verkaufen wollten, mussten sie mühsam bilateral einen Käufer finden. Mit tokenisierten Anteilen kann man solche Fondsanteile auf digitalen Marktplätzen handelbar machen. Dadurch entsteht dort Liquidität, wo vorher keine war. Besonders profitieren werden die traditionell illiquiden Bereiche – Private Equity, Private Debt, Infrastruktur, aber auch Immobilienfonds.
Auch heute kann man einen Fonds an Börsen handeln, was zur Zeit sehr kompliziert und teuer ist. Das Smart-Contracting von Tokens erlaubt, solche Sekundärmärkte zu unschlagbaren Preisen zu betreiben. Wir sehen bereits spezialisierte Zweitmarkt-Plattformen für tokenisierte Vermögenswerte entstehen. Insgesamt macht Tokenisierung die Grenzen zwischen Primär- und Sekundärmarkt fließender, was dann auch die Retailisierung weiter vorantreiben würde.
Das Interview führte Kai Johannsen. Das vollständige Interview lesen Sie auf www.boersen-zeitung.de