KommentarDelivery Hero

Übergriffige Minderheitseigner

Um gegen Wettbewerbsrecht zu verstoßen, muss man sich nicht heimlich in Hinterzimmern von Hotels treffen. Auch die Nutzung von Informationen, die man im Aufsichtsrat eines Wettbewerbers erfährt, kann kartellrechtlich mehr als bedenklich sein.

Übergriffige Minderheitseigner

Kartellrecht

Übergriffige Minderheitseigner

Von Detlef Fechtner

Für viele haben Kartelle den Ruch von klandestinen Treffen zwielichtiger Unterhändler in Hinterzimmern von Hotels – mit illustren Codenamen und anschließender Vernichtung aller Papiere. Diese Vorstellungen haben freilich mit der Wirklichkeit so wenig zu tun wie Arztromane mit der Realität des Klinikbetriebs.

Preisabsprachen, darüber können viele Unternehmensjuristen ein Klagelied singen, finden oft statt, ohne dass den beteiligten Managern bewusst wird, dass sie gerade gefährliches wettbewerbsrechtliches Terrain betreten. Etwa beim Gespräch mit dem Vorstand eines Konkurrenten auf einer Fachmesse über steigende Kosten – und was die eigene Firma zu tun gedenkt, um profitabel zu bleiben. Oder auch, wie die aktuelle EU-Kartellentscheidung im Fall Delivery Hero/Glovo dokumentiert, am Rande von Aufsichtsratssitzungen oder Arbeitstreffen auf Fachebene.

Europas Wettbewerbshüter stellen zu Recht klar, dass kein Unternehmen eine Minderheitsbeteiligung bei einem Wettbewerber nutzen darf, um die daraus automatisch resultierenden, zusätzlichen Informationen über den Konkurrenten für die eigene Geschäftsplanung zu nutzen. Alles andere ist übergriffig. Um es für den konkreten Fall zu formulieren: Bis zur vollständigen Übernahme von Glovo durch Delivery Hero waren beide Firmen Konkurrenten – und mussten sich auch dementsprechend verhalten.

Bemerkenswert ist die Entscheidung zudem, weil sie erstmals der Verabredung, sich gegenseitig keine Beschäftigten abzuwerben, wettbewerbsrechtliche Bedeutung beimisst. Auch das zeigt, wie sich Kartellrecht wandelt. Ermittler beschränken sich längst nicht mehr darauf, Umsatzanteile zusammenzuzählen und auf dieser Basis mögliche Einschränkungen des Wettbewerbs in der Zukunft festzustellen. In Zeiten des Mangels an Fachkräften kann ein beidseitiges Abwerbeverbot dominierende Marktpositionen womöglich wirksamer zementieren als der Zukauf einer weiteren Firma. Es ist absehbar, dass Kartellrechtler künftig noch viel öfter mit der Beurteilung solcher No-Poach-Agreements zu tun haben werden.

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