Netzbetreiber-Vorsitzende gegen die großen Energieversorger
Vorsitzende von Netzbetreiber gegen die Energieversorger
Von Thilo Schäfer, Madrid
Die Ursachen des flächendeckenden Stromausfalls auf der Iberischen Halbinsel am 25. April sind auch gut einen Monat danach noch nicht geklärt. Derweil häufen sich die verschiedenen Untersuchungen und Ermittlungen, von der spanischen Regierung, der Justiz, dem europäischen Netzbetreiberverband Entso-E bis zu parlamentarischen Ausschüssen in Madrid. Im Mittelpunkt steht Beatriz Corredor, die Vorsitzende von Redeia, dem Betreiber des spanischen Stromnetzes. „Wir sind die Ersten, die an den Gründen des Ausfalls interessiert sind“, erklärte Corredor.
Auf einer Wirtschaftsveranstaltung vor ein paar Tagen lieferte sich die 57-jährige Madrilenin einen offenen Schlagabtausch mit den Vorständen der großen Stromversorger. Beide Seiten machen die andere für den plötzlichen Blackout verantwortlich. Der Hintergrund hat eine politische Note. Denn mit Corredor führt eine ehemalige Ministerin der Sozialisten Redeia. Der Stromnetzbetreiber notiert zwar an der Börse und gehört zum Schwergewichtsindex Ibex 35. Doch die Regierung hat mit einem Anteil von 20% der Aktien über die staatliche Industrieholding Sepi das Sagen. Auch frühere konservative Regierungen belohnten ihre Spitzenpolitiker mit dem Vorsitz von Redeia, oder Red Eléctrica Española, wie das Unternehmen vorher hieß.
Frühere Bauministerin
Corredor war unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero von 2008 bis 2010 Bauministerin. Zuvor hatte die Juristin im Stadtrat von Madrid Pedro Sánchez kennengelernt. Als dieser später Regierungschef wurde, bestellte er Corredor an die Spitze von Redeia. Sie löste mit Jordi Sevilla einen anderen ehemaligen Minister der Sozialisten ab. Der hatte sich mit der zuständigen Ministerin Teresa Ribera überworfen, die heute Wettbewerbskommissarin der Europäischen Kommission ist. Von Corredor versprach man sich ein harmonischeres Zusammenwirken zwischen Netzbetreiber und Energieministerium.
Corredor stand vom Tag des Blackouts an in der Kritik. Es vergingen zwei Tage, bevor sie mit Erklärungsversuchen an die Öffentlichkeit ging. Als Corredor dann einen Hackerangriff ausschloss, nahm ihr die Linksregierung dies nicht ab und ermittelte erst einmal selbst in diese Richtung. Mittlerweile geht aber niemand mehr von einer Cyberattacke aus.
Die Aufarbeitung des Stromausfalls hat die Debatte über den Energiemix befeuert. Corredor und die Ministerin für die Ökologische Wende, Sara Aagesen, werfen der konservativen Opposition und der Atomlobby vor, den Vorfall dem wachsenden Gewicht von Ökostrom in die Schuhe schieben zu wollen. „Das spanische Stromsystem ist weltweit mit eines der besten bei der Eingliederung von Strom aus erneuerbaren Quellen. Es stimmt nicht, dass es zu viel Ökostrom gab und das Netz dafür nicht vorbereitet sei. Das war nicht das Problem“, sagte Corredor am Montagabend im Staatsfernsehen TVE. Die Chefin von Redeia zeigte dagegen auf die Betreiber konventioneller Kraftwerke, wie Kernkraft, Gas oder Wasserkraft als mögliche Fehlerquellen für den Blackout.
Auf Corredor kommen harte Wochen zu, in denen sie den verschiedenen Ausschüssen und Ermittlungen Auskunft über den Stromausfall geben muss. Von der Regierung bekam sie erst einmal Rückendeckung. Auf der Hauptversammlung von Redeia am 30. Juni werden mehre Aufsichtsratsmitglieder ausgetauscht. Die Vorsitzende soll aber im Amt bestätigt werden.