Kartellrecht

EU bestraft Delivery Hero wegen unlauterer Nutzung von Firmenwissen

Zum ersten Mal bestraft Brüssel „die wettbewerbswidrige Nutzung einer Minderheitsbeteiligung an einem konkurrierenden Unternehmen“ – mit einer Buße von 329 Mill. Euro.

EU bestraft Delivery Hero wegen unlauterer Nutzung von Firmenwissen

EU bestraft Delivery Hero für Nutzung von Wissen über Konkurrenten

Brüssel beanstandet unzulässige Vorteile aus Minderheitsbeteiligung an Wettbewerber – Abwerbeverbot wird als Kartell gewertet – 329 Mill. Euro Buße

fed Brüssel

Die EU-Kommission hat zwei große Lebensmittellieferanten, nämlich die deutsche Delivery Hero und die spanische Glovo, zu Geldstrafen in Höhe von 329 Mill. Euro verdonnert. Das Besondere an der Entscheidung: Erstmals stellt die EU-Behörde ein „Kartell auf dem Arbeitsmarkt“ fest. Ebenfalls zum ersten Mal bestraft Brüssel „die wettbewerbswidrige Nutzung einer Minderheitsbeteiligung an einem konkurrierenden Unternehmen“.

Betrifft Zeit vor dem Zusammenschluss

Die EU-Kartellwächter werfen den beiden Unternehmen gleich mehrere Verstöße vor – und zwar in der Zeit zwischen 2018 und 2022. Denn in dieser Zeit erwarb Delivery Hero eine Minderheitsbeteiligung an dem spanischen Wettbewerber. 2022 endete dann die von Brüssel beanstandete Zeitspanne, denn in diesem Jahr erlangte Delivery Hero die vollständige Kontrolle über Glovo; die spanische Firma wurde eine Delivery-Tochter. Seither verstießen die Praktiken – nunmehr innerhalb eines Konzerns – natürlich nicht mehr gegen Wettbewerbsrecht. Schließlich ist es unproblematisch, wenn ein Mutterkonzern mit seiner Tochtergesellschaft Märkte aufteilt oder wenn sensible Marktdaten ausgetauscht werden.

Die EU-Kommission wirft beiden Firmen vor, in den vier Jahren, in denen sie noch Konkurrenten waren, aber die Deutschen bereits Minderheitsanteile an Glovo besaßen, „den Wettbewerb durch eine vielschichtige wettbewerbswidrige Koordinierung ersetzt zu haben“.

Aufteilung nationaler Märkte

Konkret stören sich die Wettbewerbshüter erstens daran, dass die beiden Firmen verabredeten, Beschäftigte des jeweils anderen Unternehmens nicht abzuwerben. Diese Verabredung bezog sich, wie EU-Beamte erläutern, auf alle Mitarbeiter außer den Fahrern. Zweitens erkennt die EU-Kommission in der Aufteilung räumlicher Märkte einen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht. Delivery Hero und Glovo beseitigten in den vier Jahren, um die es geht, Überschneidungen in einzelnen Ländern und sprachen sich darüber ab, wer von beiden in einem bestimmten nationalen Markt präsent sein sollte. Der dritte Vorwurf bezieht sich auf den Austausch heikler Firmeninformationen, etwa über Preise oder Strategien. Delivery Hero wird beschuldigt, dabei systematisch Informationen für eigene Interessen genutzt zu haben, die Vertreter des Unternehmens – beispielsweise in ihrer Rolle im Aufsichtsrat von Glovo – erfahren hatten.

Die EU-Kommission stellt zwar klar, dass die Beteiligung an einem Wettbewerber an sich unproblematisch sei. Horizontale Überkreuzbeteiligungen zwischen Konkurrenten würden allerdings kartellrechtliche Risiken bergen, insbesondere, wenn sie zur Angleichung der jeweiligen Geschäftsstrategien missbraucht würden wie in diesem Fall. EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera unterstreicht deshalb die besondere Bedeutung der Entscheidung: „Dieser Fall ist wichtig, weil diese Praktiken durch eine wettbewerbswidrige Nutzung der Minderheitsbeteiligung von Delivery Hero an Glovo erleichtert wurden."

Beide Firmen haben der Entscheidung der EU-Kommission im Rahmen eines Vergleichs zugestimmt. Auf diese Weise erhalten sie einen Abschlag auf die Geldbuße von 10%.

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