Bundestagswahl 2021

Parteien drücken aufs Tempo

Erleichtert ist die Wirtschaft, dass mit der Bundestagswahl ein Linksruck ausgeblieben ist. Die Sorge gilt nun einer Hängepartie bei der Regierungsbildung. Die möglichen Koalitionspartner haben dazu schon genaue Vorstellungen.

Parteien drücken aufs Tempo

wf/sp/rec Berlin/Frankfurt

– Am Tag nach der Bundestagswahl haben sich die potenziellen Beteiligten eines Regierungsbündnisses für zügige Verhandlungen ausgesprochen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz stellte vor der Presse in Berlin in Aussicht, bis Weihnachten eine neue Regierung zu bilden. Die Wirtschaft befürchte nach dem Wahlergebnis ohne klaren Sieger und Oppositionsführer eine Hängepartie.

Am wahrscheinlichsten für die neue Bundesregierung ist ein Dreierbündnis als Ampel-Koalition oder ei­ne Jamaika-Konstellation. Scholz zielt auf eine Regierung mit Grünen und FDP. CDU-Vorsitzender und Unionskanzlerkandidat Armin La­schet erneuert seine Bereitschaft, ein Bündnis mit Grünen und FDP unter Führung der Union zu schmieden. Zugleich beteuerte er, dass die Union nach dem Wahlverlust keinen Führungsanspruch erhebe. Die Union büßte deutlich an Stimmen ein und landete damit knapp hinter der SPD, die kräftig aufholen konnte. Auch Grüne und FDP gewannen dazu.

Die Liberalen und die Grünen drücken ebenfalls aufs Tempo bei der Regierungsbildung. Beide vereinbarten eine Vorsondierung über Ge­meinsamkeiten, bevor sie mit Union und SPD sprechen. Dies machte FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner vor Journalisten in Berlin deutlich. Das Führungsduo der Grünen, Spitzenkandidatin Annalena Baerbock und Co-Parteichef Robert Habeck, bezeichnete Gespräche mit der FDP ebenfalls als sinnvoll. Die Distanz zwischen Grünen und Liberalen sei besonders groß, machte Habeck deutlich. „Da treffen Welten aufeinander.“ Auch er strebt eine Regierung vor dem Jahresende an.

In Erinnerung sind noch die quälend langen Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl 2017, die bis ins Frühjahr 2018 reichten – ein trauriger Rekord. Auch 2005 hatte es schon lange gedauert, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an die Macht kam und die SPD mit Gerhard Schröder eine Aufholjagd hinlegte. 1976 hatte es ebenfalls einen Ausreißer nach oben in der Verhandlungsdauer gegeben, als Helmut Kohl (CDU) die Wahl gewann, aber Helmut Schmidt (SPD) Kanzler blieb.

Die SPD bildete am Montag bereits ein sechsköpfiges Sondierungsteam, dem neben Scholz die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer angehören. Bei der Union blieb umstritten, ob der bisherige Fraktionschef Ralph Brinkhaus in diesem Amt bleiben kann. Laschet zufolge soll er in dieser Funktion bei Sondierungsgesprächen dabei sein. Geht die Union in die Opposition, ist das Amt aber der zentrale Führungsposten.

Linksruck ausgeblieben

Quer durch die deutsche Wirtschaft überwiegt zwar die Erleichterung, dass der befürchtete Linksruck ausgeblieben ist. Zugleich machen sich angesichts der Aussicht auf schwierige Verhandlungen über eines der beiden Dreierbündnisse Sorgen breit, dass die Regierungsbildung ähnlich zäh wie 2017 verlaufen könnte. Vertreter etlicher Verbände befürchten eine „Hängepartie“ und dringen auf zügige Koalitionsverhandlungen. Volkswirte und Analysten halten die Bildung einer Ampel-Koalition durchweg für etwas wahrscheinlicher als eine Jamaika-Koalition. Wichtige Termine stehen an, zu denen die deutsche Regierung handlungsfähig sein sollte. Zum Jahreswechsel übergibt Großbritannien die G7-Präsidentschaft der Industrieländer an Deutschland. Frankreich übernimmt im ersten Halbjahr die EU-Präsidentschaft. Traditionell ist die Zusammenarbeit zwischen Paris und Berlin eng. Schon im Februar 2022 wird hierzulande der Bundespräsident neu gewählt. Auch dafür sollten die Mehrheitsverhältnisse klar sein.

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