NHS England

Dido Harding ist nicht mehr im Rennen

Die ehemalige Studienfreundin von David Cameron wird so schnell nicht Chefin des National Health Service in England. Ihr Abstieg könnte signalisieren, dass es mit der „Chumocracy“ vorbei ist.

Dido Harding ist nicht mehr im Rennen

Von Andreas Hippin, London

Der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der ehemaligen Talktalk-Chefin Diana „Dido“ Harding (53) ist ins Stocken geraten, nachdem Gesundheitsminister Matt Hancock nicht mehr im Amt zu halten war. Wie der Fachinformationsdienst HSJ berichtet, befindet sich die Enkelin von Feldmarschall John Harding, der im Zweiten Weltkrieg die „Wüstenratten“ gegen das Deutsche Afrikakorps führte, nicht mehr in der engeren Auswahl für den Chefposten von NHS England. Dabei hatte es zunächst so ausgesehen, als ob die Studienkollegin von David Cameron weiter nach oben schreiten würde. Der „Sunday Times“ zufolge gehörte es zu den ersten Amtshandlungen von Hancocks Nachfolger Sajid Javid, sein Veto gegen Harding einzulegen. Die ehemalige McKinsey-Beraterin besteht bis heute darauf, dass das von ihr geführte 37 Mrd. Pfund teure Kontaktverfolgungsprogramm Track & Trace des National Health Service (NHS) ein Erfolg gewesen sei. Es habe die Übertragung von Sars-CoV-2 um 18 bis 33% reduziert, behauptete sie vor dem Rechnungsprüfungsausschuss des Unterhauses. Dabei hatte das Beratergremium SAGE (Scientific Advisory Group for Emergencies) erklärt, das Programm habe lediglich marginale Auswirkungen gezeitigt, weil zu wenig Menschen getestet und zu wenig Kontakte nachverfolgt worden seien. Profitiert haben davon allenfalls Outsourcing-Dienstleister wie Serco. Der Oberhausabgeordnete Nick Macpherson, bis 2016 ranghöchster Beamter im Schatzamt, nannte es „das verschwenderischste und unbeholfenste staatliche Ausgabenprogramm aller Zeiten“. Premierminister Boris Johnson bat die Bevölkerung zuletzt eindringlich, die unter Hardings Führung entwickelte Covid-19-App nicht zu löschen. Viele Mitarbeiter des Gesundheitswesens hätten das bereits getan, schreibt der Arzt Max Pemberton in der „Daily Mail“. Die App habe sie auch nach der zweiten Impfdosis noch zur Selbstisolation aufgefordert. Angeblich reichte es schon, durch einen Gang in der Nähe einer Covid-Station zu laufen, um von der App als Risiko identifiziert zu werden. Ein Grund für die derzeitigen Personalnöte des NHS ist, dass ständig Mitarbeiter auf diese Weise in Quarantäne geschickt werden.

Hardings Ehemann ist der Tory-Abgeordnete John Penrose. Cameron hatte Baroness Harding of Wins­combe vor sieben Jahren ein Oberhausmandat auf Lebenszeit verschafft. Ihr Abstieg könnte ein Ende der „Chumocracy“ signalisieren. Der Begriff bezieht sich auf das Netzwerk der Kumpels („Chums“), die sich noch aus der Zeit in Eton oder Oxford kennen und einem von ihresgleichen ermöglichen, nach oben zu kommen.