Vorwurf des Overboarding

HHLA-Aufsichtsratchef Grube kündigt Rücktritt an

Turbulenzen beim Hamburger Hafenkonzern HHLA: Nicht nur die Vorstandschefin scheidet aus. Auch der Aufsichtsratsvorsitzende nimmt seinen Hut.

HHLA-Aufsichtsratchef Grube kündigt Rücktritt an

HHLA-Aufsichtsratschef Grube kündigt Rücktritt an

Von Carsten Steevens, Hamburg

Nach dem Einstieg des weltgrößten Reedereikonzerns Mediterranean Shipping Company (MSC) als Großaktionär steht beim Hamburger Hafenkonzern HHLA nicht nur die Ablösung von Vorstandschefin Angela Titzrath (59) bevor. Es bahnt sich auch ein Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats an. Rüdiger Grube (74), der sich mit Vorwürfen konfrontiert sieht, die Anzahl der von ihm wahrgenommenen Mandate in Kontrollgremien verschiedener Unternehmen verstoße gegen aktienrechtliche Vorgaben, kündigte nun in einem Gespräch mit dem „Hamburger Abendblatt“ an, seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender der HHLA nach Regelung der Nachfolge von Titzrath „in einem geordneten Übergang“ in der zweiten Hälfte dieses Jahres abzugeben.

Der frühere Bahn-Chef, der seit Juni 2017 an der Spitze des HHLA-Aufsichtsrats steht, zeigte sich in dem Gespräch, das laut der Zeitung am vorigen Freitag gut eine Woche nach der diesjährigen HHLA-Hauptversammlung geführt wurde, zuversichtlich, die Frage der Nachfolge für die seit Anfang 2017 amtierende Vorstandsvorsitzende bis Ende Juli zu klären. Nach einem Gegenantrag der beiden HHLA-Großgesellschafter Stadt Hamburg und MSC zum Dividendenvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat für das vergangene Geschäftsjahr war kurz vor der Hauptversammlung das vorzeitige Ausscheiden von Titzrath spätestens zum Jahresende bekannt geworden.

Overboarding-Vorwürfe

Er habe seinen Rücktritt zur Hauptversammlung bekannt geben wollen, so Grube. „Aber dann kam der angekündigte Rückzug von Frau Titzrath dazwischen." Stadt und MSC, die über eine Beteiligungsgesellschaft aktuell mehr als 90% des HHLA-Grundkapitals halten, hätten ihn daraufhin gebeten, noch zu bleiben und die Nachfolge der Vorstandsvorsitzenden zu regeln. Mit der Mehrheit der Stimmen der beiden Großgesellschafter waren Vorstand und Aufsichtsrat der HHLA in der Hauptversammlung für das vergangene Geschäftsjahr entlastet worden. Doch im Verlauf der im virtuellen Format ausgerichteten, gut sechsstündigen Veranstaltung war Grube mit Overboarding-Vorwürfen konfrontiert worden – wie schon im Mai beim Aktionärstreffen des Schienentechnikkonzerns Vossloh, dessen Aufsichtsrat der gebürtige Hamburger seit 2020 ebenfalls leitet.

In dieser Hauptversammlung hatte Grube selbst eingeräumt, dass er zu viele Mandate habe. „Zwölf Mandate sind mindestens zwei zu viel, das ist mir natürlich klar“, verwies er laut einem Bericht des „Handelsblatt“ auf Regelungen im Aktiengesetz, wonach höchstens zehn Mandate übernommen werden sollen und Vorsitze doppelt zählen. Gemäß des jüngsten HHLA-Geschäftsjahresberichts führt Grube neben HHLA und Vossloh auch die Kontrollgremien bei Alstom Transportation Deutschland, Berlin, bei der Vodafone GmbH, Düsseldorf, und beim Berliner Immobilien-Projektentwickler Euref AG. Mitglied ist er zudem im Verwaltungsrat des Verpackungsdienstleister Deufol SE aus Hofheim.

Persönliche Entscheidung

„Eine Entscheidung, sein Mandat niederzulegen, wäre eine persönliche Entscheidung von Dr. Grube“, sagte ein Sprecher von Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) am Montag auf Anfrage der Börsen-Zeitung. Die Anzahl der Mandate, die er in Aufsichtsräten wahrnahm, habe zum Zeitpunkt seiner letzten Wahl als HHLA-Aufsichtsrat im Juni 2022 „nach unserem Kenntnisstand“ den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen.

Ein Kleinaktionär hatte in der HHLA-Hauptversammlung erklärt, die Wahl zum Aufsichtsratsmitglied 2022 sei nichtig, Grube bekleide seine Position bei der HHLA seit drei Jahren unrechtmäßig. Als „Aufsichtsratsprofi“ müsse es ihm, Grube, bekannt sein, dass Aufsichtsratsbeschlüsse, die unter Mitwirkung eines unrechtmäßigen Mitglieds zustande kommen, nicht nur anfechtbar, sondern von Anfang unwirksam seien. Die eventuelle Nichtigkeit aller Aufsichtsratsbeschlüsse seit dem 16. Juni 2022 müsse die Gesellschaft gerichtlich überprüfen lassen.

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