Neustrukturierung

Porsche-Familien­verbund steuert auf Machtwechsel zu

Mit dem Porsche-Börsengang verfestigt die Unternehmerfamilie Porsche-Piëch ihre Vormachtstellung im komplexen Volkswagen-Reich. Ein Porträt der Struktur des weit verzweigten Milliardärsclans.

Porsche-Familien­verbund steuert auf Machtwechsel zu

Von Stefan Kroneck, München

Für den österreichisch-deutschen Familienverbund Porsche-Piëch sorgt das Börsen-Comeback der Porsche AG für eine Neustrukturierung der Vermögens- und Eigentumsverhältnisse im weit verzweigten Volkswagen-Reich. Der ebenfalls am Firmenstammsitz des Sportwagenbau­ers in Stuttgart residierenden Porsche Automobil Holding SE kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Denn das von der Unternehmerfamilie dominierte Beteiligungsvehikel verfügt neben seinem bisherigen Mehrheitsanteil von 53,3% der stimmberechtigten Stammaktien am Wolfsburger Mehrmarkenkonzern (das entspricht 31,9% des Grundkapitals) künftig über 25% plus eine Aktie der Stimmrechte an der Porsche AG.

Der Hersteller des legendären Serienmodells 911 ist alsbald die zweite Kernbeteiligung der ebenfalls im Dax notierten Holding. Diesen neuen strategischen Anteil finanziert der Clan allerdings nicht mit dem Verkauf von VW-Aktien am Markt, sondern mit der Aufnahme von Bankkrediten von bis zu 7,9 Mrd. Euro.

Vormachtstellung verfestigt

Unter dem Strich verfestigten Porsche-Piëch mit dieser außerbörslichen Transaktion ihre Vormachtstellung im gesamten VW-Komplex, da es sich faktisch um ein In-sich-Geschäft des Familienverbunds handelt: Die VW AG, der bisher die Porsche AG komplett gehörte, lässt sich die Übertragung einer Sperrminorität an der schwäbischen Edelschmiede mit der fremdfinanzierten Kaufsumme vergüten. Der Clan kassiert im Rahmen der von VW angekündigten Sonderdividende aus dem IPO-Bruttoerlös eine stattliche Summe. Das reduziert den Nettoaufwand der Transaktion zum Vorteil der Familie (vgl. BZ vom 19. September).

Am Ende dürften beide Familienzweige mit dem Resultat zufrieden sein, da das den Interessen der Protagonisten entsprechende „Gleichgewicht“ im Clan gewahrt bleibt: Drei Viertel der Stimmrechte an der Beteiligungsholding liegen weiter in den Händen der Porsches, das übrige Viertel halten die Piëchs. Im Innenverhältnis der Familie verfügt also der letztere Zweig über ein Vetorecht. Das bedingt, dass beide Seiten gezwungen sind, sich vorab zu verständigen, bevor weitreichende Entscheidungen getroffen werden.

Diese komplexe, neue Konstellation sorgt dafür, dass eine Art Rechtsfrieden innerhalb des rund 100 Personen umfassenden Familienverbunds gewährleistet ist. Denn die vor rund 15 Jahren ausgetragenen Machtkämpfe um den VW-Konzern zwischen dem Firmenpatriarchen Ferdinand Karl Piëch (2019 verstorben) und seinem Cousin Wolfgang Porsche sowie dem damaligen Porsche-CEO Wendelin Wiedeking waren für den Clan keine gute PR – und erst recht nicht die 2015 auf­geflogenen Dieselabgasmanipulationen. Beides schadete der Reputation der Unternehmerfamilie, die dazu neigt, im Hintergrund zu agieren und zu entscheiden.

Leitbild: Geschlossenheit

Das große Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit ist nicht die Sache von Porsche-Piëch. Vertreter des Clans geben selten Interviews. Seit dem Tod von Ferdinand K. Piëch gilt im Inner Circle folgender Modus Vivendi: Streitereien zwischen Familienmitgliedern werden nicht mehr öffentlich ausgetragen. Die beiden Zweige wollen damit Geschlossenheit zeigen.

Die unternehmerische Mitverantwortung im verästelten VW-Gebilde konzentriert sich derweil in der Familie auf eine überschaubare Gruppe. Dieser Personenkreis teilt die Macht unter sich auf. Dabei wird darauf geachtet, dass die Posten von beiden Familienzweigen weitgehend paritätisch besetzt sind. Dieses System führt zu einer Ämterhäufung einzelner Personen in Aufsichtsräten, die nach den modernen Maßstäben guter Unternehmensführung (Corporate Governance) längst nicht mehr zeitgemäß ist. Nach dem Verständnis der Familie entspricht diese gewollte Kumulation von Posten aber genau der „gelebten“ Firmentradition, nämlich, dass an erster Stelle der Clan steht. Daraus leitet sich alles andere ab.

An der Spitze stehen die beiden Cousins Wolfgang Porsche (79) und Hans Michel Piëch (80). Beide verkörpern die dritte Generation. Der 1943 in Stuttgart geborene Porsche ist der jüngste Sohn von Ferdinand „Ferry“ Porsche (1909 bis 1998). Letzterer ist der Filius des aus Böhmen (einst Teil der Habsburgermonarchie) stammenden Firmengründers Ferdinand Porsche (1875 bis 1951), der das Unternehmen 1931 als Konstruktionsbüro für Fahrzeuge an den Start gebracht hatte. Wolfgang Porsche ist also dessen Enkelkind. Der aus Wien stammende Hans Michel Piëch ist der jüngste Sohn von Anton Piëch (1894 bis 1952). Letzterer war der Schwiegersohn von Ferdinand Porsche. Der gebürtige Wiener war mit der Tochter des Firmengründers, Louise Porsche (1904 bis 1999), verheiratet. Der Jurist Anton Piëch war später Mitgesellschafter von Ferdinand Porsche und in der NS-Zeit Leiter des VW-Werks in Fallersleben (Wolfsburg).

Wolfgang Porsche sitzt seit 2007 den Kontrollgremien der Porsche SE und der Porsche AG vor, zugleich ist der promovierte Handelsökonom und Kaufmann Mitglied der Aufsichtsräte von VW (seit 2008) und der Ingolstädter VW-Premiumtochter Audi (seit 2012). Nach dem Tod seines älteren Bruders vor drei Jahren übernahm Hans Michel Piëch die Rolle des Oberhaupts des Familienzweigs, dessen Wurzeln in Österreichs Hauptstadt liegen. Der promovierte Jurist gehört den Aufsichtsräten von VW (seit 2009), der Porsche SE (seit 1989), von Audi (seit 2009) und bis vor kurzem auch noch der Porsche AG (2007 bis 2022) an (vgl. BZ vom 23. September). Die Rückkehr des Sportwagenherstellers aufs Handelsparkett nach dem ersten Börsengang im Jahr 1984 wäre sozu­sagen das Vermächtnis des in die Jahre gekommenen Familiensprecher-Duos an die nachfolgende, die vierte Generation im Clan.

Für den Tag X vorgesorgt

Die Wiederwahl der Familiensprecher in das Kontrollgremium der Porsche SE im Frühjahr für weitere fünf Jahre lässt offen, wie lange sie noch bereit sind, ihre Rollen auszufüllen (vgl. BZ vom 14. Mai). Fakt ist, dass beide auf den Tag X vorbereitet sind, an dem sie ihre Verantwortung an Jüngere abgeben. Der Familienverbund steuert auf einen Machtwechsel zu. Zu seinem Nachfolger hat Wolfgang Porsche seinen Neffen Ferdinand Oliver Porsche auserkoren. Der 1961 in Stuttgart geborene promovierte Jurist ist der Sohn von Ferdinand Alexander Porsche (1935 bis 2012), dem Designer des Modells 911. Vor fünf Jahren verlautbarte Wolfgang Porsche erstmals öffentlich, dass Ferdinand Oliver Porsche „Kronprinz“ sei. Der 61-Jährige gehört ebenfalls den Aufsichtsräten von VW, Audi, der Porsche SE und Porsche AG an.

Schlüsselfigur Louise Kiesling

Auf Seiten der Piëchs gilt Stefan Piëch als Nachfolger seines Vaters. Der einzige Sohn von Hans Michel Piëch, der insgesamt sechs Kinder hat, ist promovierter Kommunikations- und Medienwissenschaftler. Der aus Wien stammende 51-Jährige ist seit Jahren CEO und Großaktionär der kleinen börsennotierten Münchner Kinder- und Jugendsendefirma Your Family Entertainment. Er ist Mitglied in den Kontrollgremien der spanischen VW-Tochter Seat (seit 2015), der Porsche SE (seit 2018) und der Siemens AG Österreich (seit 2020). Im Aufsichtsrat von VW würde der Medienmanager einrücken, wenn sein Vater den Platz für ihn freimacht.

Eine in der Öffentlichkeit kaum beachtete Schlüsselfigur im Clan ist unterdessen die Österreicherin Louise Kiesling (65), die seit sieben Jahren auf der Kapitalseite dem Aufsichtsrat von VW angehört. Die promovierte Modedesignerin, die ge­schätzt 5% der Stimmrechte an der Porsche SE hält, ist eine Nichte von Hans Michel Piëch, das heißt die Tochter seiner vor 16 Jahren verstorbenen älteren Schwester Louise Daxer-Piëch (1932 bis 2006). Sie hatte den Namen ihres Ehemanns angenommen. Die Textilunternehmerin aus Klosterneuburg bei Wien gilt als vermittelnde Stelle zwischen beiden Familienzweigen im Fall notwendiger interner Schlichtungen.

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